NetEnt Bilanz Teil 2

Nicht nur die Konkurrenz setzt zunehmend NetEnt zu, auch der Wechsel der eigenen Strategie sowie selbst verschuldete Entscheidungen tragen zu der Misere bei.

In unserem ersten Teil der NetEnt Bilanz schauten wir uns die Finanzkennzahlen des schwedischen Spielautomatenherstellers ein wenig genauer an. Sowohl beim Umsatz wie auch beim Gewinn musste das Unternehmen im 2. Quartal gehörige Einbußen vermelden. Zudem fielen die Rückgänge in den letzten drei Monaten deutlich größer aus, als noch zwischen Januar und März dieses Jahres. Dies deutet darauf hin, der negative Trend sich nicht nur weiter fortsetzt, sondern sogar an Geschwindigkeit zulegt. Schuld an dieser Entwicklung ist zum einen die verloren gegangene Kreativität sowie zum anderen der Verlust des eigenen Anspruchs, die qualitativ besten und zugleich innovativsten Spielautomaten herzustellen. Doch wann hat sich dieser gravierende Umbruch ereignet, der NetEnt anscheinend nicht wirklich guttut und kann der Entwickler dem negativen Trend entkommen? In unserem 2. Teil der NetEnt Bilanz gehen wir genau diesen spannenden Fragen auf den Grund.

Profitgier ist ein schlechter Berater

Lange Zeit war NetEnt ein großes Vorbild für viele aufstrebende Entwickler, die mit ihren Spielautomaten in den Online Casinos ähnlich erfolgreich werden wollten. Kaum ein anderes Studio konnte lange Zeit so hohe Qualität gepaart mit einem enormen Fundus an Kreativität liefern und dabei gleichzeitig noch äußerst profitabel zu sein. Bis Ende des Jahres 2017 kannte sowohl der Kurs der Aktie wie auch die Entwicklung der wichtigen Finanzkennzahlen nur eine Richtung, steil nach oben. Lange genoss NetEnt eine Führungsposition bei den Automatenspielen innerhalb der Branche und dies sowohl bei den Betreibern wie auch bei den Kunden. Bei den Live Casino Spielen konnten die Schweden immerhin als Nummer Zwei ebenfalls immer wieder mit tollen Neuentwicklungen auf sich aufmerksam machen. Den Sprung vom einfachen Hersteller von Spielautomaten hin zu einem Unternehmen, welches in vielen Bereichen in den Online Casinos Maßstäbe setzte, geschah vor allem unter der Führung einer Person, Per Eriksson. Er formte als CEO über viele Jahr NetEnt und verpasste dem Entwickler seine einzigartiges Image, welches jetzt immer stärker tiefe Kratzer erhält.

Völlig überraschend gab NetEnt Anfang April 2018 bekannt, dass mit sofortiger Wirkung Per Eriksson von seinem Posten als CEO enthoben wurde. Ausgerechnet der wichtigste Kopf innerhalb des Unternehmens, der seit 2012 die enorm positive Entwicklung auf den Weg brachte, rollte an diesem Tag, der so etwas wie den Wendepunkt bei den Schweden darstellt. Anders als bei seinem Kollegen Anders Holmgren, der als CEO von Cherry AB wegen mutmaßlichen Insidergeschäften zurücktreten musste, hatte sich Per Eriksson jedoch nichts dergleichen zu Schulden kommen lassen. Sein einziges Vergehen, wenn man es denn so ausdrücken möchte, war, die extremen Erwartungen der Aktienbesitzer von NetEnt an die Profitabilität nicht voll und ganz erfüllt zu haben. Ein Anstieg von 11,7 Prozent beim Umsatz für das abgelaufene Geschäftsjahr 2017 und eine Steigerung des Gewinns nach Steuern um 9,5 Prozent waren den Anteilseigner eindeutig zu wenig. Trotz der sehr guten Zahlen für ein Unternehmen, welches sich bereits in einer Führungsposition am Markt befindet, wurde Per Eriksson entlassen. Heute zeigt sich, dass reine Profitgier ein mehr als schlechter Berater sein kann, denn seit dieser ominösen Entscheidung ging es mit NetEnt nur noch bergab.

Der damalige Vorstandsvorsitzende Vigo Carlund äußerte sich damals zum Rauswurf von Per Eriksson wie folgt: “NetEnt hat sich über viele Jahre hinweg gut entwickelt, und einige Teile des Geschäfts entwickeln sich immer noch gut, zum Beispiel in geregelten Märkten, aber die Gesamtleistung der Gruppe ist nicht so, wie sie sollte. Der Vorstand glaubt, dass NetEnt eine neue treibende Kraft braucht, um den Trend umzukehren und den Fokus auf Wachstum zu richten. Das Wertschöpfungspotenzial in NetEnt bleibt signifikant. Der Online-Gaming-Markt hat strukturelles Wachstum durch die Migration von Offline- zu Online-Gaming. Das Unternehmen hat eine solide Bilanz und einen starken Markennamen in seinem Marktsegment. Der Vorstand möchte Per Eriksson für seine Zeit als CEO von NetEnt danken.”

Nach Per Eriksson verließ auch noch Vigo Carlund NetEnt

Es wird wohl nicht wirklich geklärt werden können, was die Mehrheit der Aktionäre im April 2018 dazu bewog, ihren CEO Per Eriksson achtkantig aus dem Unternehmen zu werfen. Angedeutet wurde nur, dass die Erwartungen in Sachen Wachstum nicht erfüllt wurden. Doch welche Vorstellungen hatten damals die Entscheidungsträger beim tatsächlichen Potenzial von NetEnt? Anscheinend sehr überzogene und womöglich waren sie zum damaligen Zeitpunkt durch die eigene Profitgier für die Realität nicht empfänglich. Denn schon damals hatte der Entwickler gerade im Bereich der Spielautomaten mit immer stärker werdenden Konkurrenten wie Play’n GO und Yggdrasil Gaming zu kämpfen. Vor diesem Hintergrund betrachtet, war die damalige Jahresbilanz für 2017 unter Per Eriksson nämlich mehr als formidabel ausgefallen. Deshalb ist es nicht besonders spekulativ anzunehmen, dass nicht alle Aktionäre und vor allem nicht alle Mitglieder im Vorstand von einer Trennung mit dem CEO überzeugt waren.

Bereits im Ende April, nur rund 3 Wochen nach dem Rauswurf von Per Eriksson, nahm auch noch Vigo Carlund als Vorstandsvorsitzender seinen Hut. Er hatte zuvor die unerfreuliche Nachricht über das Ausscheiden des ehemaligen CEO zu vermelden gehabt. Der kurze Zeitraum, der zwischen den beiden Ereignissen liegt, lässt durchaus vermuten, dass Vigo Carlund, der in seinen 11 Jahren als Vorstandsvorsitzender bei den Schweden tätig war, nicht wirklich mit der Entscheidung einverstanden war. Über mehr als 6 Jahre hatte er gemeinsam mit Per Eriksson die Geschicke von NetEnt in den Händen gehabt und das Unternehmen von einem Rekordergebnis zum nächsten geführt. Nie gab es in dieser Zeit irgendwelche Meldungen, dass die beiden Führungskräfte nicht miteinander könnten. Vielmehr war es genau die tiefe Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen, welches dem Entwickler in der Führungsspitze zum Erfolg verhalf. Mit seinem freiwilligen Ausscheiden signalisierte Vigo Carlund nicht nur durch die Blume, dass er den Rauswurf von Per Eriksson wohl für einen Fehler hielt, sondern zeigte zudem auch, dass er den neu eingeschlagenen Kurs wohl nicht mittragen möchte. Der Blick auf die letzten Bilanzzahlen für das erste Halbjahr 2019 scheinen zumindest anzudeuten, dass die Vorbehalte nicht ganz unbegründet waren.

Seit dem Ausscheiden von Per Eriksson als CEO und Vigo Carlund als Vorstandsvorsitzender hatte sich zuerst das Wachstum von NetEnt immer stärker verlangsamt, bis es Ende 2018 zum Erliegen kam. Seit Beginn des Jahres ist der Hersteller für Spielautomaten und Live Casino Spiele sogar in eine Abwärtsspirale geraten. Während die Rückgänge im 1. Quartal vor allem nur den Umsatz und den Gewinn betrafen, ist bereits im 2. Quartal auch das EBITDA abgesackt. Sollte diese Entwicklung nicht kurzfristig gestoppt werden, wovon momentan nicht auszugehen ist, könnte 2019 das erste Jahr werden, in dem NetEnt schrumpft, anstatt weiter zu wachsen.

Warum die neue Strategie von NetEnt nicht aufgeht

Mit dem Rauswurf von Per Eriksson und dem Ausscheiden von Vigo Carlund hielt zugleich bei NetEnt eine neue Strategie Einzug, die im Kern nur noch wenig mit den vorherigen Zielen des Unternehmens gemein hatte. Während zuvor vor allem mit neuen, innovativen Spielautomaten, Softwarelösungen und Live Casino Spielen Marktanteile in einem fast schon gesättigten Sektor Wachstum generiert wurde, stand nun plötzlich eine exorbitante Erwartung in Sachen Profitabilität im Vordergrund. In diesem Kurswechsel dürfte der Hauptgrund für die fristlose Entlassung von Per Eriksson und dem Rückzug des Vorstandsvorsitzenden zu finden sein. Therese Hillmann wurde zu neuen CEO berufen und machte sofort deutlich, was in Zukunft die Aktionäre in ihrer Profitgier vom Spielautomatenhersteller erwarteten. Kosten gnadenlos runter und gleichzeitig stärkeres Wachstum als noch zuvor. Diese Strategie ist nicht an sich schlecht, sofern es in einem Unternehmen angewandt wird, welches beispielsweise unrentable Geschäftszweige aufgeben will, um gleichzeitig mit Fokus auf das Kerngeschäft zu wachsen. Was jedoch selten von Erfolg gekrönt wird, ist der Versuch, mit weniger Personal deutlich mehr zu produzieren und somit mit geringeren Kosten stärker zu wachsen. Doch genau das ist seit rund anderthalb Jahren die Strategie von NetEnt, die nur leider überhaupt nicht aufzugehen scheint.

Anfang dieses Jahres war keine gute Zeit für einige Mitarbeiter von NetEnt, denn insgesamt mussten 55 Mitarbeiter sich nach neuen Jobs umsehen. Der Stellenabbau war Teil der neuen Strategie der Kostensenkung. Dies wurde immerhin zum Teil tatsächlich erreicht und durch die gesenkten Personalausgaben konnte sich zumindest das EBITDA in den ersten 6 Monaten von 2019 noch stabil halten. Gleichzeitig jedoch gab es heftige Rückgänge beim Umsatz sowie beim Gewinn nach Steuern. Dies bedeutet, dass obwohl die Schweden ihren Ausstoß an Spielautomaten in der ersten Jahreshälfte in den NetEnt Casinos wie geplant steigern konnten, deutlich weniger Geld in die Kassen des Entwicklers floss. Dies kann nur bedeuten, dass die beliebten Slots auf weniger Interesse bei den Kunden stießen als dies früher der Fall war. Denn neben den Geschäfts mit der Lizenzierung der Betreiber zum Anbieten der NetEnt Spielautomaten in den eigenen Online Casinos, verdienen die Schweden den Großteil ihres Geldes mit der Beteiligung an den Umsätzen an den Slots. Ein gewisser Prozentsatz der Verluste eines jeden Spins fließt jedes Mal in die Taschen von NetEnt. Gehen hier die Umsätze aus diesem Geschäft zurück, ist die kein gutes Zeichen. Die Steigerung der Veröffentlichungszahlen scheinen den NetEnt Spielautomaten nicht wirklich gutgetan zu haben, eher im Gegenteil. Von den Schweden erwarten die Fans Klasse und nicht Masse, die sich in jedem Online Casino zuhauf finden lässt. Weniger Mitarbeiter, die fast doppelt so viele Slots im Jahr entwickeln sind das Gegenteil von einem kreativen Schaffensprozess, für den NetEnt einmal stand, sondern der pure, von Profit getriebene Ausdruck von Fließbandarbeit. Sollten hier die Schweden nicht schnell wieder zurück zu ihrem alten Kern finden, könnte der Abwärtstrend durchaus noch heftigere Auswirkungen mit sich bringen. Selbst eine Übernahme durch einen Konkurrenten oder einen großen Online Casino Betreiber, der sich einen eigenen Entwickler in den Konzern holen will, sind dann nicht mehr ausgeschlossen.

Ein weiteres Problemfeld für NetEnt, in dem sich zeigt, dass die Fokussierung rein auf Profit zu negativen Auswirkungen führen kann, ist der Umgang mit den Werbepartnern. Wie bei jedem Internetgeschäft mit Plattformen im Netz, gibt es auch bei den Online Casinos Partner, die Marketing für diese Marken betreiben. Ein für beide Seiten einträgliches Geschäft. Nun jedoch wollte NetEnt selbst etwas von diesem Kuchen haben und begann im September 2018 selbst potenzielle Neukunden zu bestimmten Internetcasino zu lotsen und damit in Konkurrenz zu treten. Dies sorgte nicht nur für jede Menge Unmut, sondern könnte sogar dazu geführt haben, dass weniger NetEnt Casino promotet wurden. Immerhin sind die Schweden nun ein Konkurrent der Werbepartner von Online Casinos geworden und so werden diese den Namen des Entwicklers deutlich seltener auf ihren Seiten und in Artikeln erwähnen, beziehungsweise über ihn berichten. Dies führt zu schlechteren Suchergebnisse und einer Reduzierung der Aufmerksamkeit, die ebenfalls zum Teil verantwortlich für die Rückgänge bei den Schweden sein könnten.

 

Hier geht es zum ersten Teil!

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.