Der Senator für Inneres in der freien Hansestadt Bremen, Ulrich Mäuer ist schon länger durch seinen unerbittlichen Kampf gegen die Glücksspielsucht in den medialen Fokus gerückt. Brisant wurde das Thema Schließung von Wettbüros in Bremen sogar über die Grenzen Deutschlands hinweg diskutiert. Jetzt forciert er eine Allianz gegen die Glücksspielwerbung in Deutschland. Hierfür hat sich der SPD-Politiker auf die Werbemaßnahmen eingeschworen, die im Kontext von Sport und Wetten sowie Echtgeldspielen stehen und hat direkt eine neue Debatte entzündet. Im Rahmen eines Treffens mit dem Glücksspielforscher Dr. Hayer sowie dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert und Bremens Innensenator wurde dies am 16. Februar 2023 offiziell. Der Hardliner aus dem Lager der Sozialdemokraten greift dabei ein bereits durch ihn auf den Weg gebrachtes gemeinsames Vorgehen gegen Werbung im Zusammenhang im Sport und Wetten auf.
Ausgaben für Werbung nehmen zu
Das Trio um den Bremer Senator für Inneres sowie dem Drogenbeauftragen der Bundesrepublik sowie Dr. Tobias Hayer aus der Glücksspielforschung haben sich zu einem generellen Werbeverbot ausgetauscht. Gemeinsam einen Weg zu finden, die nicht selten verheerenden gesellschaftlichen Auswirkungen einer Spielsucht einzugrenzen, ist das selbsterklärte Ziel. Doch so schwerwiegend im Einzelfall eine Problembewältigung auch sein mag, ist ein Verbot von Werbung für Online Casinos und Sportwetten das Allerheilmittel?
Die Meinungen gehen bei diesem Thema weit auseinander. Gut zu erkennen war das anhand der Reaktion auf Ulrich Mäuers Vorstoß gegen die Wettbranche im Jahr 2021. Die Glücksspielindustrie hat sich im Einklang mit der Werbebranche entschlossen dagegengestellt, während andere Partei für den Innensenator ergriffen haben. Verbände aus dem Bereich der Spielsuchtbekämpfung sind freilich dafür, Glücksspielwerbung komplett zu verbieten. Auch Fanorganisationen haben sich hinter das Vorgehen gestellt und argumentieren mit gesellschaftlicher Verantwortung, die von den Vereinen ausgeht und der sie nicht gerecht werden, wenn auf dem Trikot oder Banden ein Online Casino oder Buchmacher Werbung macht.
Doch steigende Werbeausgaben, die in der Pressenachricht für Deutschland und den Niederlanden angesprochen werden, verdeutlichen einen potenziellen Handlungsbedarf. Doch an dieser Stelle sei gesagt, dass bis Juli 2021 in Deutschland und Oktober 2021 in den Niederlanden Online-Glücksspiel nicht erlaubt war. Unternehmen konnten somit offiziell gar nicht legal werben. Zwar gab es durch das Zukunftsmodell in Schleswig-Holstein vereinzelnd Glücksspielwerbung mit den Hinweis, das Angebot ist nur für Kunden aus dem Bundesland verfügbar, einen authentischen Vergleich zu den Aufwendungen der Unternehmen lässt sich nicht vornehmen.
Zuletzt hat sich der Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert, für strengere Werberegeln in den Konsumbranchen Alkohol, Tabak und Glücksspiel stark gemacht. In diesem Bericht erfahren Sie mehr darüber.
Macht ein Werbeverbot Sinn?
An dieser Stelle müssen wir die gesamte Situation tiefgründiger bewerten. Nur die Werbung von bet-at-home, bwin, Merkur Gauselmann, Novomatic mit AdmiralBet oder JokerStar Casino negativ hinzustellen wäre falsch. Diese Unternehmen haben in Deutschland Lizenzen für Sportwetten und Online Casino Echtgeld-Angebote erhalten und werden somit staatlich reguliert. Es werden alle Auflagen des Glücksspielstaatsvertrags befolgt und diese haben die Bundesländer über gut 10 Jahre und vier Versionen überhaupt erst bundeseinheitlich ratifizieren können.
Und ein wesentlicher Bestandteil des Glücksspielvertrags ist neben verantwortungsvollen Spielen und dem einhergehenden Jugend- und Spielerschutz die Nutzer in legale Bahnen zu lenken. Dabei ist die Werbung für legale Glücksspielangebote von entscheidender Bedeutung. Schlussendlich gibt es gerade beim Online-Glücksspiel seit Jahren viele Spieler, die Erfahrungen mit Plattformen sammeln konnten, die weitaus attraktiver daherkommen als heutzutage lizenzierte Online Casinos Deutschland. Zusätzlich werben die meisten davon unabhängig von deutschen Regeln im Internet und sprechen mit ihren Inhalten das Publikum hierzulande an. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sind starke Einschränkungen bei der Werbung für Glücksspiel sogar kontraproduktiv.
Deutschlands Sucht- und Drogenbeauftragter Burkhard Blienert erklärt: „Der Boom für Sportwetten und Glücksspiel aller Art ist problematisch, schließlich leiden nicht nur die Betroffenen selbst unter Sucht und problematischem Spiel, sondern auch die Angehörigen. Kaum eine andere Sucht treibt so viele Menschen in den Suizid wie die Glücksspielabhängigkeit. Hinzu kommt, dass die Werbung heute wirklich immer und überall zu sehen ist: auf Trikots, vor der Sportschau, im Internet. Sie verführt gerade junge oder spielaffine Menschen zum ‘Zocken’. Ich sehe diesen Hype sehr kritisch und unterstütze daher gern das Aktionsbündnis als Schirmherr und die Initiative Bremens beim Thema Werbebeschränkungen: Werbung raus aus der Primetime und mehr Engagement von Bund, Ländern und Kommunen bei Prävention und Hilfe. Glücksspiel ist kein Kinderspiel!”
Richtige Balance zwischen Werbung und Spielerschutz finden
Zugegeben, der eingeschlagene Weg des Bremer Innensenators scheint schlüssig und gesellschaftlich mehr als vertretbar. Aber: Mit dem Kanalisierungsziel vor Augen und den grenzenlosen Freiheiten des Internets scheint es geradezu fahrlässig, in Deutschland legal operierenden Online Casinos sowie Buchmachern ihr wichtigstes Werkzeug aus der Hand zu nehmen. Gerade mit den heute möglichen technischen Mitteln ist es doch möglich, eine zielgruppenorientierte Kampagne zu schalten. Werbemaßnahmen lassen sich steuern und sicherlich wäre es auch schon ein interessanter Weg, einzelne Instrumente wie Plug-in-Werbung zu unterbinden.
Auf diese Weise erscheinen bereits durch den Spieler in der Vergangenheit gespielte Games nicht automatisch wieder auf dem Bildschirm und lösen einen Schlüsselreiz aus. Gleiches gilt unter diesem Gesichtspunkt auch TV-relevante Werbung bei populären Übertragungen, die alle Altersgruppen anspricht. Bilder aus der Bundesliga, Champions League und selbst der Nationalmannschaft gehen immer häufiger mit einer bekannten Marke aus der Glücksspielbranche einher. Das suggeriert ein falsches Bild und etabliert das Spiel der Chancen und Risiken inmitten der Gesellschaft.
Doch auch an dieser Stelle hilft diese Werbung, wenn diese auch kritisch zu betrachten ist, die Aufmerksamkeit auf legale Glücksspielanbieter zu lenken. Diese bieten immerhin gesetzlich verpflichtende Spielerschutzbestimmungen, was ein hohes Maß an Prävention im Hinblick auf Glücksspielsucht gewährleistet. So gesehen ist es doch das kleinere Übel, denn verbieten lassen sich die Zocker ihr Unterhaltungsprogramm ohnehin nicht.
Eine andere Seite der Legalisierung bringt dem deutschen Staat reichlich zusätzliche Steuereinnahmen ein. Unter dieser Maßgabe verdient ein Faktor besondere Aufmerksamkeit: Ohne Werbung und noch strengeren Verboten würden es wohl zahlreiche Spieler vorziehen, bei einem Anbieter ohne deutsche Lizenz zu spielen und zu wetten.
SPD-Politiker Ulrich Mäuer erklärt: „Es ist mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags nicht vereinbar, dass die Sportwette in der Mitte der Gesellschaft ankommt – im Gegenteil, dies soll mit Kräften verhindert werden. Werbung darf nicht zum Glücksspiel anreizen, sondern sie soll lediglich die vorhandenen Spieler auf das legale Angebot aufmerksam machen und dorthin lenken.“
„Der Boom für Sportwetten und Glücksspiel aller Art ist problematisch“
Aus der Pressemitteilung des Senators für Inneres aus Bremen geht hervor, dass die Umsätze der Branche seit einem Jahrzehnt nach oben gehen. Hierzu wird eine Auflistung des Deutschen Sportwetten Verbandes aufgeführt. Ohne konkret auf die Zahlen einzugehen, wird einfach auf den tendenziellen Anstieg hingewiesen, der eine Verdopplung innerhalb von 10 Jahren auf rund 9 Milliarden Euro am Wettmarkt ausweist. Doch muss an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck kommen, dass durch Lizenzen in den Bundesländern stationäre Wettshops öffnen durften, die ein reguliertes Angebot haben und Steuern zahlen.
Über die Jahre hat die Verantwortlichkeiten für den Onlinemarkt das Regierungspräsidium Darmstadt übernommen und Anbieter nach deutschen Gesetzen reguliert. Demzufolge sind über die Jahre die Einnahmen aus dem Schwarzmarkt in die Legalität übergegangen. An dieser Stelle wollen wir auch noch den von Bremens Innensenator in der Pressemeldung stehenden Kommentar analysieren: „Wir sprechen nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen inzwischen von 1,3 Millionen Menschen mit einem krankhaften Glücksspielverhalten. Weitere 3,25 Millionen stehen auf der Kippe.“
Eine andere Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) geht von ungefähr einer halben Million Spielsüchtigen in Deutschland aus und suggeriert, das etwa zwei Fünftel aller in Deutschland lebender Personen zwischen 16 und 70 Jahren an diversen Glücksspielformen teilnehmen – darunter machen die staatlichen Lotterien den Löwenanteil aus. Mehr zur BzgA Studie können Sie in dem folgenden Artikel erfahren. Neue Wege zu finden, die neuen Unterhaltungsformen auch werbeseitig zu regulieren, ist offenkundig notwendig. Doch strikte Verbote sind in einer vernetzten Welt kaum mehr eine annehmbare Option, speziell mit dem Vorhaben den Glücksspielmarkt zu kanalisieren.
Ein Kommentar von Glücksspielforscher Dr. Hayer: „Die massive Flut an Werbung für Glücksspiele im Allgemeinen und Sportwetten im Speziellen ist aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht deutlich zu kritisieren. Produkte mit hohen Suchtgefahren werden auf der einen Seite normalisiert, auf der anderen Seite rücken die damit verbundenen Risiken und Gefahren in den Hintergrund. Forschung hat gezeigt, dass Werbung wirkt und mit erheblichen Kollateralschäden einhergeht: Unter anderem werden impulsiven Konsumentscheidungen Vorschub geleistet, unrealistische Gewinnerwartungen gefördert und Rückfallgefährdungen bei ehemals glücksspielsüchtigen Personen erhöht. Hier sollte dringend ein politisches Umdenken erfolgen, damit der Jugend- und Spielerschutz nicht abermals zu Lasten von finanziellen Interessen einzelner Privatunternehmen auf der Strecke bleibt.“
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