Lange Zeit musste das Bundesland Niedersachsen unbedingt völlig eigene Wege bei der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags gehen und dafür gab es nun eine schallende Ohrfeige vom OVG Niedersachsen in Lüneburg. Denn anders als in allen anderen Bundesländern, glaubten hier die Politiker bei der Entscheidungsfindung, welche Spielhalle in Zukunft schließen muss, einfach einmal auf alle qualitativen Auswahlkriterien verzichten zu dürfen. Einzig ein Losverfahren sollte über Existenzen von Betreibern, Standorten und Mitarbeitern entscheiden. Mit den beiden nun ergangenen, wegweisenden Urteilen wird diesem Treiben in Niedersachsen ein Ende gesetzt. Ein Losverfahren anzuwenden, ohne dabei vorher Sachkriterien verschiedener Betreiber heranzuziehen und diese miteinander zu vergleichen, ist rechtswidrig. Dies ist die klare Meinung des Oberverwaltungsgerichts Niederachsen und für die Politik ein Tritt gegen das Schienbein.
Das OVG Niedersachsen hat insgesamt 130 Verfahren in Bezug auf die Abstandsregeln anhängig. Diese ungeheure Anzahl kam durch die äußert unterschiedliche Beurteilung der Vorinstanzen zu Rechtslage zustande. Während beispielsweise das Verwaltungsgericht Göttingen alle Klagen gegen Schließungen abwies, urteilte das Gericht in Osnabrück wiederum im Sinne der Betreiber. Nach Meinung dieser Richter kann nur dann ein Losverfahren eingesetzt werden, wenn vorher alle qualitativen Sachkriterien miteinander verglichen wurden. Dieser Beurteilung folgte nun ebenso das OVG Niedersachsen.
Bei zwei Spielhallen unterschiedlicher Betreiber entscheidet nicht das Los
Von den ungefähr 130 Verfahren, die noch beim OVG Niedersachsen anhängig sind wurden nun zwei Fälle entschieden. Dabei macht das Gericht in seiner Pressemitteilung deutlich, dass diese: „für die Erledigung der weiteren Beschwerdeverfahren wegweisend sind.“ Ein Betreiber zweier Spielhallen, die in ein und dem selben Gebäude untergebracht sind, stand in Konkurrenzsituation mit einem weiteren Besitzer einer Spielothek. Nur 60 Meter trennen beide Standorte voneinander und unterschreiten somit die geforderten 100 Meter der Abstandregel im niedersächsischen Glücksspielgesetz. Daraufhin wurde von der Stadt Lingen ein Losverfahren getätigt, bei dem beide Spielhallen des gleichen Betreibers verloren und daraufhin schließen sollten. Gegen dieses Urteil hatte der Besitzer beim Verwaltungsgericht in Osnabrück erfolgreich geklagt, allerdings hatte die Stadt wiederum Einspruch dagegen eingelegt. So musste also das OVG Niedersachsen nun in letzter Instanz entscheiden. Dabei folgte die Justizbehörde den Osnabrücker Richtern, die das Losverfahren nur als Ultima Ratio anerkannten. Nur wenn vorher alle Sachkriterien ausreichend berücksichtigt und miteinander verglichen werden und nur wenn dann immer noch Gleichstand unter den Betreibern herrscht, darf ein Losverfahren angewandt werden. Dazu schreibt das OVG Niedersachsen: „Die von der Stadt Lingen wegen des Mindestabstandsgebots getroffene Auswahlentscheidung zwischen seiner Spielhalle und der Spielhalle des anderen Betreibers mittels eines Losverfahrens sei rechtswidrig. Für das Auswahlverfahren zwischen diesen konkurrierenden Spielhallen bedürfe es wegen des Eingriffs in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte Berufsfreiheit des Spielhallenbetreibers einer gesetzlichen Regelung, an der es in Niedersachsen bislang fehle.“
Mit dem nun gefällten Urteil zeigt das OVG mit dem Finger genau auf den wunden Punkt, der seit Monaten für Chaos, Unmut und Kritik gegenüber den Ausführungsbestimmungen in Niedersachsen sorgt. Das Bundesland ist das einzige, wo es keine Regelung zu Härtefällen gibt und wo Sachkriterien bei der Beurteilung keine Rolle spielen. Ein Armutszeugnis für die Politik in Niedersachsen, schließlich ist es nicht immer die Aufgabe der Gerichte die Fehler und Unklarheiten des Gesetzgebers wieder aufzuräumen.
Mit der Gerichtsentscheidung des OVG Niedersachsens geht alles wieder von vorne los
Wer nun glaubt, dass mit diesem Urteil des OVG Niedersachsen endlich Ruhe in den ganzen Prozess um die Abstandsregeln einkehren wird, der sieht sich getäuscht, denn nun beginnt das wahre Chaos im Bundesland. Hunderte bereits getroffene Entscheidungen über Schließen oder Weiterbetrieb sind jetzt null und nichtig. Viele der bereits geschlossenen Spielhallen dürfen theoretisch wieder aufmachen und bereits sicher geglaubte Konzessionen können in den Mülleimer wandern. In unserem letzten Artikel zu dem Thema hatte bereits Prof. Florian Heinze, Berater des niedersächsischen Automatenverbandes vor diesem Problem gewarnt. So kritisierte er, dass einige Städte, die bereits per Losverfahren beschieden hätten, schon Spielhallen geschlossen hätten, obwohl das letzte Wort durch das OVG Niedersachsen noch nicht gesprochen wurde. Nun nachdem die Richter mit ihrem Urteil wieder alles auf Anfang gesetzt haben, geht alles wieder von vorne los. Sachkriterien müssen nun verglichen werden und in die Entscheidungsfindung einer jeden Gemeinde oder Stadt über das Schließen von Spielotheken einfließen. Wie viele Spielhallen allerdings schon rechtswidrig geschlossen und wie viele Mitarbeiter dadurch bereits arbeitslos wurden, weiß niemand so richtig. Ebenfalls müssen nun alle Betreiber und Beschäftigte, die bereits einen positiven Bescheid zur Weiterführung hatten, erneut zittern. Dabei sind etwaige Schadensersatzforderungen noch gar nicht inbegriffen. Ein unhaltbarer Umstand, der einzig und allein auf die regelrecht stümperhafte Umsetzung der Durchsetzung der Abstandsregeln durch die niedersächsischen Politik zurückzuführen ist. Wer alle Warnungen in den Wind schlägt, der darf sich halt am Ende nicht beschweren, wenn ihm alles zum Schluß um die Ohren fliegt.
In einem zweiten Fall des OVG besteht nun beim Thema Mehrfachkonzessionen ebenfalls Rechtssicherheit. Ein Spielhallenbetreiber hatte gegen die Schließung seiner überzähligen Spielotheken innerhalb eines Gebäudes geklagt und auf einen Härtefall plädiert. Hier hatten die Richter vom OVG Niedersachsen kein Einsehen, denn Mehrfachkonzessionen sind nach dem Glücksspielstaatsvertrag nicht mehr gestattet. Deshalb müssen sämtliche Spielotheken bis auf eine einzige innerhalb des gleichen Gebäudes dichtmachen.
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