Glücksspielgesetz in NiedersachsenIn ganz Deutschland sorgt die Umsetzung des neuen Glücksspielgesetzes fast überall für Unmut, doch in Niedersachsen ganz besonders. Denn anders als in anderen Bundesländern gelten hier, neben Berlin, wohl die schärfsten Regularien für die Spielotheken. So müssen hier zwar ab jetzt nur mindestens 100 Meter Luftlinie zwischen den einzelnen Spielhallen, oder zu Schulen und anderen Jugendeinrichtungen liegen, allerdings ist die gesamte Umsetzung ein wahres Chaos. Denn Niedersachsen musste mit seinem eigenen Glücksspielgesetz unbedingt eigene Wege gehen und ignorierte dabei durchaus Erfahrungen aus anderen Ländern, die den nun auftretenden Unmut hätte ein wenig abfedern können. Während Bundesstaaten wie Hessen zuerst einmal sämtliche Faktoren wie Qualität oder die Anzahl der bisherigen Ordnungswidrigkeiten in der Entscheidung über Weiterbestand oder Aufgabe der Spielothek heranziehen, gibt es in Niedersachsen nur das Los. Damit entscheidet im neuen Glücksspielgesetz rein der Zufall, ob ein Betreiber ein Spielhalle bald vor dem Ruin steht, egal wie gut er vorher wirtschaftete oder wie ernst der den Spielschutz nahm. Selbst die Gerichte in Niedersachsen, die eigentlich endlich Klärung bringen sollen, sorgen noch weiter für Verwirrung. So entschied beispielsweise erst kürzlich das Verwaltungsgericht in Göttingen, alle Eilanträge und Klagen einfach abzuweisen und somit müssen vier der fünf Spielotheken in einem Gebäude dichtmachen. Hier kam also genau das Verfahren zur Entscheidungsfindung zur Anwendung, dass zuvor bereits das Verwaltungsgericht Osnabrück nur als Ultima Ratio gelten lassen wollte.

In Niedersachsen wir die Anzahl der Spielhallen, die nach der Umsetzung des neuen Glücksspielgesetzes für uns Spieler wegfallen werden, auf rund 950 Stück. Die sind knapp die Hälfte aller Spielotheken im gesamten Bundesland.

Spielhallen werden in Niedersachsen geschlossen, obwohl die Urteile noch ausstehen

Der Umstand in Niedersachsen, dass bei der Durchführung alles vom Losentscheid abhängt und die verschiedenen Verwaltungsgerichte zu unterschiedlichen Urteilen kommen, macht das Chaos perfekt. Denn nun liegen bereits fast 150 Verfahren bei der nächsthöheren Instanz, dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Dabei ist bisher noch nicht abzusehen, ob die Richter hier eher den Kollegen in Göttingen folgen werden oder denen aus Osnabrück, die vor dem Losentscheid erst einmal die Sachkriterien berücksichtigt wissen wollen. Obwohl diese wegweisenden Urteile noch ausstehen, sind einige Kommunen und Städte bereits kräftig dabei Spielotheken zu schließen und uns Zocker vor die Tür zu setzen. All diese geschieht vor dem Hintergrund, dass selbst Mitte Juni vom Wirtschaftsministerium in Niedersachsen ein vorläufiger Schließungsstopp verfügt wurde, bis die Rechtslage eindeutig geklärt wurde. Prof. Florian Heinze, Berater des niedersächsischen Automatenverbandes, spart deshalb nicht an Kritik an der Gesamtsituation. Und so meinte er gegenüber „Deutschlandfunkkultur“: Man hätte schlicht abwarten können, bis das OVG das klärt. Kann doch kein Schaden sein. Hätte man insbesondere der Justiz eine hohe Zahl von Eilverfahren ersparen können.“  Völlig anders wiederum sieht dies Sandra Roddewig, Juristin des Wirtschaftsministeriums in Hannover, gegenüber dem Magazin. Sie gibt zu, mit der Klagewelle gerechnet zu haben, denn ihrer Meinung nach ist es völlig unerheblich welches Ausschlussverfahren zum Weiterbetrieb der Spielotheken angewandt wird. Geklagt wird sowieso und am Ende müssen trotzdem rund 50 Prozent aller Glücksspieltempel schließen.

Ein weiterer Punkt, den Betreiber von Spielhallen und ebenso die Verbände der Deutschen Automatenwirtschaft kritisieren, ist, dass in Niedersachsen keine Härtefälle anerkannt werden. Dies wären zum Beispiel Spielhallen, die zum Start des Geschäfts Kredite aufgenommen haben, die nun ohne die Einnahmen logischerweise nicht mehr zurückgezahlt werden können. Ebenfalls können Härtefalle das Alter des Betreibers betreffen, bei dem es unwahrscheinlich ist, dass dieser noch einmal woanders ein neues Geschäft aufbauen könnte. In Niedersachsen wird hierauf keine Rücksicht genommen, denn es entscheidet einzig und allein das Los.

Allein bei einem Truck-Stop auf der A7 stehen 60 Beschäftigte vor dem Aus

Ziel der neuen Abstandsregeln, so hat es die Politik zumindest immer kommuniziert, war die Verknappung an Spielautomaten um damit der Spielsucht vorzubeugen. Dabei hatten die Gesetzgeber wohl vor allem den Wildwuchs an Spielotheken in den Innenstädten im Blick. Doch wie in den meisten Fällen, hat ebenfalls das Glücksspielgesetz in Niedersachsen Nebenwirkungen, die wohl kaum ein Politiker vorher auf dem Schirm hatte. Eine dieser Nebenwirkungen könnten der Verlust eines bekannten Truck-Stop auf der A7 sein. Einer der Gesellschafter der KMS-Unternehmensgruppe, die den Maxi-Autohof in Lauenau betreibt, ist Fritz Schöbel und er machte sich in einem Interview in der Bild-Zeitung Luft. Denn die gesamte Finanzierung des beliebten Truck-Stop, der rund 180 Parkplätze für LKW’s, einen Burger King und eine Tankstelle beinhaltet, zerbröselt nun unter seinen Fingern. Denn bisher wurde das gesamte Angebot an der A7 vor allem aus den Geldern, die die Spielautomaten abwerfen, querfinanziert. Doch nun, da keine Mehrfachkonzessionen mehr in Niedersachsen erlaubt sind, muss die Anzahl der Automatenspiele von 36 auf 12 reduziert werden. Die Auswirkungen aus diesem Schwund sind fatal und dies nicht nur für die Mitarbeiter in der Spielhalle im Autohof. Dies macht Fritz Schöbel noch einmal in der Bild-Zeitung deutlich: „Der Spielbetrieb machte 40 Prozent unserer Einnahmen aus, damit wurde die Gastronomie mitfinanziert. Jetzt schreiben wir rote Zahlen.“ Als Folge steht nun der ganze Truck-Stop vor dem Aus. Fritz Schöbel schildert weiter: „Wenn nichts passiert, müssen wir in drei, vier Monaten schließen.“ Sollte es tatsächlich so kommen, würden nicht nur 60 Arbeitsplätze auf einen Schlag wegfallen, sondern die Kommune hätte zusätzlich einen wichtigen Anlaufpunkt für Trucker auf der A7 verloren, plus den Steuereinahmen.

Gegenüber der Bild-Zeitung äußerte sich ebenfalls Jörg Döpke, der Bereichsleiter der Gemeindeverwaltung. Er sagte: „Sollte der Autohof schließen, brechen uns wichtige Steuereinnahmen weg. Und es sind Arbeitnehmer aus der Region betroffen. Jetzt sind die Politiker gefordert. Denn der Bedarf an Lkw-Stellplätzen ist da. Es werden gerade bei Bad Nenndorf auf Steuerzahlerkosten neue gebaut.“

In Hameln leben die Mitarbeiter von Gauselmann weiterhin im Ungewissen

In der Stadt Hameln sieht die Situation genauso verworren aus, wie im Rest von Niedersachsen. Hier lud Deutschlands größter Glücksspielkonzern Gauselmann die Kollegen vom Deutschlandfunkkultur zur Besichtigung ein. Von ehemals drei Räumen, mit 36 Merkur Spielautomaten, ist nur noch einer mit 12 Geldspielgeräten geöffnet. Schon jetzt ist eine deutliche Einbuße bei den Spielerzahlen zu verzeichnen und die Mitarbeiterin Alexandra Naß, eine von bisher 11 Beschäftigten brachte ihre Zukunftssorgen auf den Punkt. Sie sagte gegenüber der Presse: “Wir sind natürlich definitiv zu viele Mitarbeiter hier für eine Konzession.” Bisher haben zwar noch keine Beschäftigten eine Kündigung erhalten, doch dürfte dies bei negativen Bescheiden am Ende wohl zwangsläufig geschehen und einige der Angestellten arbeitslos werden. Doch nicht nur bei Betreibern und Mitarbeitern sorgt das neue Glücksspielgesetz in Niedersachsen für Unmut, denn die Kommunen und Gemeinden sind ebenso betroffen. Schließlich hat sich Vergnügungsteuer über die letzten Jahr zu einem immer wichtigeren Posten in den Haushalten entwickelt. So auch in Hameln, wo die Schließungen von 17 Spielhallen beschlossen wurde und die Stadt dadurch rund 1 Million Euro für soziale Projekte oder anderweitige Finanzierungen weniger im Geldsäckel haben wird. Die Sprecherin der Stadt, Janine Herrmann äußerte sich gegenüber Deutschlandfunkkultur: “Man kann schon sagen, wir haben pro Spielhalle einen Verlust von 60-80.000 Euro im Jahr. Aber wir gehen davon aus, dass es in der Peripherie von Hameln zu neuen Beantragungen kommt.” Ob diese jedoch nur ansatzweise den Fehlbetrag ausgleichen werden, ist mehr als optimistisch. Ebenfalls auf gravierend Steuerausfälle machte der Erste Stadtrat von Barsinghausen, Thomas Wolf, aufmerksam. Unweit von Lauenau gelegen, dreht es sich hier ebenso um zwei Truck-Stops, die womöglich vor dem Ende stehen.

Von Thomas Wolf, dem Ersten Stadtrat von Barsinghausen, kamen unerwartet deutlich kritische Töne zu der Umsetzung des Glücksspielgesetzes in Niedersachsen. Er machte sich gegenüber Deutschlandfunkkultur in einer Mail folgendermaßen Luft: “Deswegen möchte ich auch klar kritisieren, dass der Gesetzgeber die Folgen seiner Regelung offensichtlich nicht bedacht hat. Rechnet man die Ertragseinbußen hoch, kommen immense Summen zustande, die den deutschen Städten und Gemeinden fehlen. Niemand wird die Ziele zum Schutz der Spieler und zur Vermeidung von Spielsucht in Frage stellen. Wenn ich aber angesichts der Verdrängung des tatsächlichen Spiels aus den Spielhallen ins Internet dieses Ziel nicht wirklich erreichen kann, wird die finanzielle Belastung der Kommunen umso unverhältnismäßiger.”

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