Spielotheken-Kahlschlag LeipzigAm vergangenen Donnerstag lud die Deutsche Automatenwirtschaft einige Medienvertreter zu einem ganz besonderen Treffen ein. Doch anstatt bei Kaffee und Kuchen über den Kahlschlag bei den Spielotheken zu referieren, ging es dieses mal im Kleinbus durch Leipzig, genauer, entlang der Eisenbahnstraße. Denn diese steht bundesweit exemplarisch für das große Dilemma in Sachen Glücksspielstaatsvertrag und den damit einhergehenden Abstandsregeln. Und so lud der Vorstandssprecher des Dachverbands „Die deutsche Automatenwirtschaft“, Georg Stecker, die Medienvertreter zu einer kleinen Reise des Grauens ein. Auf der Eisenbahnstraße in Leipzig reiht sich eine Zockerbude an die nächste. In insgesamt 20 Einrichtungen finden hier Glücksritter und professionelle Spieler alles was das Herz begehrt, von Merkur Spielautomaten bis hinzu Automatenspielen von Bally Wulff. Obwohl seit dem 1. Juli in Sachsen 250 Meter zwischen Spielotheken und zu Jungendeinrichtungen und Schulen liegen müssen, hat dieses neue Gesetz für die meisten Etablissements überhaupt keine Auswirkungen. Denn von diesen 20 Glücksspieltempeln in der Eisenbahnstraße, sind gerade einmal 3 tatsächlich Spielotheken. Der Rest wiederum wird als Gaststätte, Spiel-Cafe oder Cocktail-Bar betrieben, in denen ebenfalls Spielautomaten stehen. Da diese 17 Einrichtungen als Gastronomie und nicht als Spielothek definiert werden, fallen diese nicht unter den Glücksspielstaatsvertrag. Somit müssen sich die 3 einzigen „echten“ Spielhallen nun an die neuen Abstandsregeln halten, womöglich schließen, während die Gastronomen unberührt weiterhin ihren Geschäften nachgehen können.

Die Situation auf der Eisenbahnstraße in Leipzig findet sich fast überall in größeren Städten in der gesamten Bundesrepublik. Gastronomische Einrichtungen mit Spielautomaten schießen wie Pilze aus dem Boden, wärhend durch die Abstandsregeln immer mehr „echte“ Spielhallen verschwinden.

Für Georg Stecker ist dies ein unhaltbarer Zustand

Was eine Spielhallen oder eine gastronomische Einrichtung mit Spielautomaten ist, ist eine reine Definitionsfrage. Denn während für Spielotheken das Automatenspiele Haupteinnahmequelle ist, sollte in einer Gaststätte das Zocken nur einen Nebenerwerb darstellen. Deshalb dürfen Imbisse oder Bars auch nur maximal 3 Geldspielgeräte aufstellen, zu Beginn des nächsten Jahres sogar nur noch 2. Der größte Unterschied jedoch liegt in der Ausbildung des Personals und dem eigenen Anspruch, den Kampf gegen die Spielsucht ernst zu nehmen. So muss das Personal in „echten“ Spielhallen immer ein Auge auf die Kundschaft werfen und bei Verdacht auf unkontrolliertes Zocken den Betreffenden darauf hinweisen oder im schlimmsten Fall sperren. In Gaststätten wiederum sollte dies ebenfalls so sein, doch Erfahrungen zeigen, dass hier der Wirt sich kaum für solche Belange Zeit nimmt. Zudem müssen die Spielautomaten vom der restlichen Gastronomie abgetrennt sein und so verirrt sich hier der Kellner oder Besitzer nur sehr selten in diesen Bereich. In den meisten Fällen nur, um dem Spieler ein Getränk oder eine Speise anzubieten. Im Endeffekt werden werden also nun, durch die neuen Abstandregeln gerade die Spielotheken ausgedünnt, die einen deutlich höheren Spieler- und Jungendschutz bieten. Gleichzeitig bleiben die Gaststätten mit Spielautomaten, wo alles recht lax zugeht, davon unberührt. Gerade dieser Umstand konterkariert das eigentlichen Ziels des Glücksspielstaatsvertrags, nämlich die Spielsucht einzudämmen und den Spielerschutz zu stärken. Bei der Rundreise bezeichnete Georg Stecker von der Deutschen Automatenwirtschaft diese gastronomischen Einrichtungen gegenüber dem Reporter des MDR als “verkappte Spielhallen”. Ebenfalls prophezeite er, dass mit dem Wegfall der „echten“ Spielhallen, diese sich sogar noch deutlich vermehren dürften.

Gegenüber dem MDR legte Georg Stecker, beim Problem mit den neuen Abstandsregeln, noch einmal den Finger in die Wunde

“Weil sie die Zahl der legalen Spielhallen, die Spielerschutz berücksichtigen, die Jugendschutz berücksichtigen, erheblich reduziert und gleichzeitig haben wir ein Wachstum im Bereich der Illegalität. Insbesondere der sogenannten Café-Casinos, der scheingastronomischen Betriebe.“

Betreiber und Mitarbeiter von Spielhallen sind völlig verunsichert

Aufgrund der Tatsache, dass für Spielhallen, die die neuen Abstandsregeln von 250 Metern zu anderen Spielotheken unterschreiten, nicht klar ist, wer denn nun am Ende schließen muss, herrscht bei vielem Verunsicherung. Als ein Beispiel dieses Umstands zog der MDR Evelyn Wiesinger heran. Sie leitet eine der „echten“ Spielhallen auf der Eisenbahnstraße in Leipzig, durch die der Kleinbus der Deutschen Automatenwirtschaft rollte. Ihre Spielothek liegt direkt gegenüber einer Schule und so ist wohl davon auszugehen, dass sie bald ihren Arbeitsplatz verlieren wird, wie wohl noch fast 2.000 andere Beschäftigte in Sachsen. Dies sind immerhin etwas mehr als die Hälfte aller 3.500 Arbeitsplätze in den Spielotheken des Freistaats. Das Problem der Spielhallen mit der Unsicherheit, wer nun dichtmachen muss, beschränkt sich jedoch nicht nur auf Leipzig, denn die Sächsische Zeitung zeigte noch einen anderen Fall auf.

Beate Mai ist seit 27 Jahren im Geschäft und ist Betriebsleiterin des Unternehmens Jackpot. Dieses betreibt Glücksspieltempel in Geithain, in Oschatz und Leipzig. Der rigorose Kahlschlag bei den „echten“ Spielhallen würde in ihrem Unternehmen dazu führen, dass bis zu 40 ihrer 60 Mitarbeiter bald bald die Kündigung erhalten könnten. Denn gerade einmal nur 5 ihrer insgesamt 12 Spielotheken haben von der Landesdirektion eine neue Konzession erhalten. Die anderen 7 müssen schließen. Betroffen ist davon ebenfalls eine Spielhalle in der Eisenbahnstraße in Leipzig. Um das gesamte Unternehmen am Laufen zu halten, sucht sie bereits nach alternativen Standorten, die den neuen Regeln entsprechen. Dies gestaltet sich jedoch schwierig. Ein Problem mit dem sich die Gaststätten nicht beschäftigen müssen, denn schließlich gelten für diese Etablissements die neun Gesetze nicht. Vielmehr ist sogar davon auszugehen, dass die geschlossen Spielotheken recht schnell von gastronomischen Einrichtungen mit Spielautomaten ersetzt werden. So würde am Ende das angestrebte Ziel der Verknappung des Glücksspielangebots ad absurdum geführt werden. Anstatt geprüfte Spielhallen mit ausgebildetem Personal, das dem Spielschutz verpflichtet ist, würde diese durch Gaststätten und Bars mit laxer Handhabung ersetzt. Ein Umstand bei dem sich die „verkappten Spielhallen“ schon jetzt die Hände reiben dürften, fallen doch jede Menge Konkurrenten einfach weg.

Ebenfalls werden von dem Wegfall der unliebsamen Spielhallen, die landeseigenen Casinos profitieren. Schließlich werden die Spieler nicht einfach verschwinden. Vielmehr werden sie sich nach alternativen umschauen, die staatliche Casinos, Gaststätten oder Online Casinos sein dürften.

Die Landesdirektion findet, dass die Betreiber lange genug Zeit hatten

Für die Landesdirektion in Sachsen ist das Beschweren über die neuen Abstandsregeln wohl nur unbegründetes Wehklagen. Denn mit der 5-jährigen Übergangsfrist, die am 1. Juli diesen Jahres endete, sollte eigentlich genug Zeit gewesen sein, sich darauf vorzubereiten. Doch dies sieht Georg Stecker gegenüber dem MDR anders: “Aber wenn sie beispielsweise 250 Meter von einem anderen Anbieter entfernt sind, wissen Sie nicht, ob Sie selbst fortbestehen oder der Kollege. Und Sie entlassen ja nicht prophylaktisch Mitarbeiter, die mehr als 20 Jahre lang beschäftigt sind. Das ist ja unrealistisch. Und ich halte deshalb von dieser Übergangsfrist überhaupt nichts, die war keine echte.” In diesem Punkt muss dem Vorstandssprecher des Dachverbands „Die deutsche Automatenwirtschaft“ beigepflichtet werden. Denn bis heute ist in vielen Bundesländer immer noch nicht klar, wer sein Geschäft aufgeben muss und wer nicht. Denn wer kann sich schon auf ein Losverfahren vorbereiten, welches in einigen Bundesländer zu Anwendung kommen soll. Zudem sind unzählige Verfahren zu Härtefallanträgen weiterhin anhängig, die erst noch von Gerichten oder anderen Behörden entschieden werden müssen. In Sachsen gab der Pressesprecher der Landesdirektion gegenüber dem MDR eine Wasserstandsmeldung zur Situation im Freistaat ab. So gab er bekannt: „Es ist gegenwärtig so, dass es in Sachsen 496 aktive Spielhallen gibt. Und von diesen Spielhallen haben 392 den Antrag auf eine glücksspielrechtliche Erlaubnis gestellt, die es dann ermöglichen würde, in diesem Jahr weiter zu machen.” Von diesen 392 wurden jedoch insgesamt 173 Spielotheken mit einer neuen Konzession beglückt, während 165 keine neue Erlaubnis erhielten. Bei den restlichen Fällen, steht ein Entscheidung immer noch aus.

Im Artikel des MDR wurde ebenfalls auf die Spielsucht eingegangen und auf die hohen sozialen Kosten verwiesen, die damit einhergehen. Ein wichtiges Thema, denn schließlich wird der nun kommende Kahlschlag bei den Spielotheken mit dem Kampf gegen eben diese gerechtfertigt. Doch wird hier nicht auf die wichtige Studie „Der Deutsche Glücksspielmarkt – eine volkswirtschaftliche Betrachtung“ des Handelsblatt Research Institut eingegangen. Diese hatte nämlich festgestellt, dass die Deutsche Automatenwirtschaft rund 5,4 Milliarden Euro an Steuern für die Allgemeinheit generiert, dem gerade einmal rund 330 Millionen Euro an sozialen Kosten entgegenstehen. Damit sind Spielautomaten das einzige Produkt, welches süchtig machen kann, was mehr Steuern generiert, als es an sozialen Kosten der Gesellschaft aufbürdet. Im Vergleich kostet der Alkohol die Allgemeinheit pro Jahr rund 40 Milliarden Euro bei rund 3,2 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Beim Tabak liegen die sozialen Kosten sogar bei rund 79 Milliarden Euro bei gerade einmal rund 15 Milliarden Euro an Steuern. Merkwürdigerweise gab es hier jedoch noch nie ein Diskussion, über Abstandsregeln von Verkaufsstellen für Tabak oder Alkohol.

 

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