Lotto BZgA Studien Glücksspielsucht

Das deutsche Lotto hat dem BZgA den Auftrag über Studien zur Glücksspielsucht entzogen. Womöglich sind unerwünschte Ergebnisse der Grund! (Bildquelle: pixabay by raggio5)

Über viele Jahre waren die Lottogesellschaften der Bundesländer, zusammengeschlossen im Lotto- und Toto-Block, die größten Gegner der Legalisierung von Online Casinos in Deutschland. Kein Wunder, fühlten sich die Landesgesellschaften doch in ihrer Monopolstellung bedroht. Ohne diese Sonderstellung wären viele gut dotierte Pöstchen für Menschen mit dem richtigen Parteibuch oder dem richtigen Grad an Vernetzung wohl nicht mehr so einfach zu besetzen. Wie stark hierbei die Landesgesellschaften im Lotto auf ihre Pfründe achten, wird erneut bei der neusten Entscheidung deutlich, dem BZgA nach 13 Jahren den Auftrag über Studien zur Glücksspielsucht zu entziehen. Hinter vor gehaltener Hand wird gemunkelt, dass diese zwar die Realität abbildeten, aber eben nicht die erwünschten Ergebnisse lieferten. Vergeben wurde der Auftrag jetzt in einem dubiosen Verfahren an ein wissenschaftliches Institut in Hamburg, ohne hierbei auf eine öffentliche Ausschreibung zurückzugreifen.

Warum entzog Lotto der BzgA den Auftrag zu den Studien zur Glücksspielsucht?

Die Lottogesellschaften sind die für die Bundesländer schon eine feine Sache, schließlich steuern sie den Landesfinanzen Millionenbeträge aus ihrer Monopolstellung beim Glücksspiel bei. Zusätzlich können altgediente Staatssekretäre und andere Parteimitglieder mit sechsstelligen Gehältern vor der drohenden Altersarmut gerettet werden. Auch für früher Verdienste beim Kampf um Wählerstimmen und politische Posten eigenen sich die zahlreichen gut dotierten Stellen bei den Lottogesellschaften als kleine Aufmerksamkeiten, natürlich rein theoretisch. Kein Wunder, dass deshalb die Lotto-Landesgesellschaften alles daran setzen, das eigene Monopol bestmöglich zu verteidigen. Stärkstes Argument hierfür war lange Zeit der ständige Verweis auf die Spielsucht sowie die Aufgabe, den Spieltrieb der Bevölkerung in legale Bahnen zu lenken. Dass selbst der Rechnungshof bei Lotto Bremen befand, dass deren exzessive Werbung um Kundschaft gegen die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags verstößt, änderte daran nichts. Gebetsmühlenartig wird deshalb das immer gleiche Mantra weiter kräftig herunter geleiert.

Schwierig wird es nun allerdings, wenn eines der wichtigsten Unterstützungswerkzeuge für die immer gleiche Argumentation abhandenzukommen droht. Über 13 Jahre lieferte die BZgA, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Befragungen und Studien zur Glücksspielsucht für Lotto, doch ist damit auf einmal still und heimlich Schluss. Gegenüber dem Magazin Businessinsider nennt der Deutsche Lotto- und Toto-Block als Grund, dass durch einen veränderten Medienkonsum eine Anpassung notwendig gewesen wäre. Hierbei scheint Lotto diese bei der Erstellung der Befragungen und Studien zur Glücksspielsucht dem BZgA nicht zuzutrauen. Interessanterweise will jedoch der Businessinsider erfahren haben, dass hinter vorgehaltener Hand der wahre Grund für die Entscheidung ein anderer ist. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat einfach nicht die Ergebnisse geliefert, die der DLTB als Auftraggeber gern gesehen hätte. Hierzu benennt das Magazin als Beispiel, dass bis heute kein Nachweis beim Eurolotto erbracht werden konnte, der bestätigte hätte, dass hiermit Menschen ins legale Spiel kanalisiert wurden. Für einen jährlich sechsstelligen Betrag für diese Befragungen und Studien könnten die Lottogesellschaft hierzu sicherlich schon deutlich mehr Einsatz von der BZgA für die gute Sache verlangen.

Die Maximierung von Einnahmen für den Staat ist kein legitimes Ziel für ein Glücksspielmonopol, wie der Europäische Gerichtshof bereits mehrfach feststellte, weshalb es solch einen Passus auch nicht im Glücksspielstaatsvertrag gibt. Wenn jedoch bis heute die BZgA keinen Kanalisierungseffekt zum legalen Spiel – eines der legitimen Ziele – beim Eurolotto nachweisen konnte, warum soll dann dieses Glücksspielprodukt massiv ausgebaut werden? Es soll Planungen geben, den Jackpot auf 120 Millionen Euro anzuheben und eine zusätzliche Ziehung einzuführen. Hierbei bedarf es keiner prophetischen Gabe vorauszusehen, dass solch ein Schritt mehr Bundesbürger zum Lotto verleitet und somit die Umsätze gesteigert werden, was wiederum die Einnahmen für die Bundesländer erhöht. Wenn es jedoch keinen Kanalisierungseffekt gibt, verstößt die Ausweitung und Erhöhung der Kundennachfrage durch höheren Jackpot und mehr Ziehungen womöglich sogar gegen den Glücksspielstaatsvertrag.

Ping Pong zwischen Hamburg und Sachsen-Anhalt

Nachdem Lotto der BZgA den Auftrag über Befragungen und Studien zur Glücksspielsucht, wie jetzt bekannt wurde, bereits letztes Jahr entzogen hatte, musste natürlich ein neuer Auftragnehmer gefunden werden. Hierfür wurden im August 2020 insgesamt sieben Institute angeschrieben und um die Abgabe eines Angebotes gebeten. Innerhalb des DLTB trat Lotto Hamburg für das ISD ein, das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung, welches rein zufällig seinen Sitz in der Hansestadt hat. Verantwortlich für den ganzen Ablauf sowie am Ende für die Erteilung des Zuschlags war die Lottogesellschaft in Sachsen-Anhalt, ohne hierbei den Weg einer öffentlichen Ausschreibung zu gehen. Bei einem Wert von rund 1,6 Millionen Euro für insgesamt drei Befragungen und Studien bis 2025 ein durchaus fragwürdiger Vorgang. Warum keine öffentliche Ausschreibung stattfand, ließ bislang das zuständige Ministerium in Sachsen-Anhalt unbeantwortet und verwies auf die unterschiedlichen Vorschriften in solchen Fällen in den Bundesländern.

Den Zuschlag für den millionenschweren Auftrag zu Studien über die Glücksspielsucht, der zuvor der Bundesbehörde BZgA durch Lotto entzogen wurde, erhielt schließlich im November das ISD in Hamburg. Pikanterweise wurde der Vertrag zwischen dem Institut und dem DLTB nicht etwa mit der für den Vergabeprozess verantwortlichen Lottogesellschaft in Sachsen-Anhalt geschlossen, sondern mit Lotto Hamburg. Böse Zungen könnten nun behaupten, dass Sachsen-Anhalt nur deshalb den Prozess leitete und später nach Abschluss den Sachverhalt an Hamburg abtrat, um insgesamt einer öffentlichen Ausschreibung wegen dem günstigeren Landesrecht zu entgehen. Warum Lotto Hamburg und Geschäftsführer Torsten Meinberg das ISD empfahlen, beantwortete dieser mit deren Expertise und deren großer Reputation. Zugleich merkte er jedoch an, dass er mit der Vergabe sonst rein gar nicht zu tun gehabt hätte, schließlich hatte ja die Lottogesellschaft in Sachsen-Anhalt den Gewinner des millionenschweren Auftrags gekürt.

Ausgerechnet die skandalträchtige Lottogesellschaft Sachsen-Anhalt leitete das Vergabeverfahren

Theoretisch könnte hier die ganze Geschichte wieder einmal als fragwürdiges Gebaren und den deutschen Lottogesellschaften abgehakt werden, wenn den Vergabeprozess nicht ausgerechnet die Lottogesellschaft in Sachsen-Anhalt geleitet hätte. Deren Reputation ist mittlerweile genauso groß wie die von Vladimir Putin in Fragen zur Demokratie. Seit 2018 hat sie nämlich einen große Skandal an der Backe mit parlamentarischem Untersuchungsausschuss. Hierbei geht es um Vorwürfe zur Geldwäsche, fragwürdiger Fördermittelvergabe, übermäßigen Gehältern sowie Vetternwirtschaft. Dass während des Vergabeprozesses für Studien zur Glücksspielsucht nach dem Ende der Zusammenarbeit mit der BZgA zwischen August und November 2020 gleich beide Geschäftsführer fristlos entlassen wurden, schien niemanden im DLTB zu stören. Zuvor waren Maren Sieb und Ralf von Einem von Juli 2020 bis zu ihrem Rauswurf im September 2020 bereits beurlaubt. Normaldenkende Menschen würden meinen, dass während solchen Vorgängen die Lottogesellschaft alles andere zu tun gehabt hätte, als einen millionenschweren Auftrag ausgerechnet ohne öffentliche Ausschreibung zu vergeben.

Sportwetten brachten den Skandal ins Rollen

Wie hoch die Reputation der Lottogesellschaft in solchen Fragen anzusehen ist, zeigt ein kleiner Abriss des ganzen Skandals und wirft wieder einmal kein gutes Licht auf die Glücksspielmonopolisten. Ende 2018 fand die SIZ, die von der Lottogesellschaft für Kontrollen beauftragt wurde, merkwürdige Vorgänge bei den Sportwetten des staatlichen Betreibers Oddset in einigen Lotto-Annahmestellen. Vier Personen wetteten hohe Summen und verdienten mehrere Hunderttausend Euro. Bis heute wird dem Verdacht nachgegangen, dass womöglich auch die Identitäten anderer Tipper zweckentfremdet wurden, um Limits auszuhebeln. Das System mit exorbitanten Einsätzen und Gewinnen funktionierte jedoch lange Zeit, weil die zuständigen Bereichsleiter der Lottogesellschaft wegen ihrer Provisionen am gesteigerten Umsatz mitverdienten. Immerhin 19 Prozent mehr in der eigenen Tasche. Die Firma SIZ meldete diese Vorgänge der Lottogesellschaft, die deren Bericht monatelang in den Giftschrank sperrte. Die beiden Geschäftsführer unterließen es beispielsweise diese Vorgänge ans Innenministerium weiterzuleiten. Zwischen 2017 und 2018 wetteten die vier Personen insgesamt für rund 3,4 Millionen Euro und erzielten dabei einen Gewinn von rund 400.000 Euro. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Der Wettbetrag entsprach mehr als 33 Prozent aller Umsätze in Sachen-Anhalt und der Gewinn mehr als der Hälfte aller Gewinne in diesem Zeitraum. Bis heute ist nicht klar, ob diese „System-Spieler“ einfach nur riesiges Glück hatten oder sogar noch mehr dahinter steckt. Immerhin war der Ehepartner der Hauptspielerin Programmierer beim Unternehmen, welches für Oddset die Software herstellte.

Eine spätere Wirtschaftsprüfung durch die KPMG fand acht extrem schwere Mängel in der Lottogesellschaft Sachsen-Anhalt. Als Empfehlungen rieten sie nach der Prüfung eine unabhängige Kontrolle des Unternehmens zu schaffen sowie die Struktur der Bereichsleiter komplett neu zu ordnen, wegen ihren Provisionen auf höhere Umsätze.

Gute Kontakte zur Politik sind immer gut

Nicht nur in Österreich zeigt sich anhand der Causa rund um Novomatic und die CASAG, dass die Verbindung zwischen Politik und staatseigenen oder staatsnahen Betrieben hoch problematisch ist. Tatsächlich bildet der Vorfall mit den Sportwetten nur einen kleinen Bruchteil des Skandals rund um die Lottogesellschaft in Sachsen-Anhalt ab. Der Rechnungshof förderte nämlich unzählige Verstöße und Ungereimtheiten zutage, die bis heute den parlamentarischen Untersuchungsausschuss beschäftigen. Mal wurden Kultureinrichtungen mit deutlich mehr Geld bedacht, als überhaupt erlaubt ist und andere Male wurden Veranstaltungen finanziell bedacht, bei denen es sich möglicherweise um kommerzielle Projekte handelte, die keine Förderung erhalten dürfen. Ebenfalls dürfen keine Gesellschaften Fördermittel erhalten, die sich im Landesbesitz befinden. Lotto Sachsen-Anhalt unter der Führung von Maren Sieb und Ralf von Einem war dies im Falle des Goethetheaters allerdings herzlich egal. Auch die Handball Magdeburg GmbH erhielt Mittel in Form eines Sponsorings. Ob es daran lag, dass Maren Sieb als damalige Geschäftsführerin der Lottogesellschaft zeitgleich im Aufsichtsrat der betreffenden Firma saß, darüber darf spekuliert werden. Verkehrsminister Webel saß ebenfalls im betreffenden Aufsichtsrat und war genauso Mitglied des örtlichen Lions Club wie Maren Sieb und andere hochrangige Politiker wie Innenminister Holger Stahlknecht.

Holger Stahlknecht ist in der ganzen Sache besonders interessant, da Maren Sieb und er sich bereits seit vielen Jahren kennen. In 2006 kreierte sie für ihn einen Werbeslogan für den Wahlkampf, was ihr als langjährige Radiomoderatorin sicherlich nicht schwerfiel. Gut zu dem, dass Stahlknecht als Innenminister über die Behörde wacht, die für das Lotto zuständig ist. Zu Jens Bullerjahn von der SPD, der bis 2016 Finanzminister war, hatte sie ebenfalls gute Kontakte, immerhin zeigte sie sich für dessen Wahlkampf im Jahr 2011 mit ihrer eigenen Werbeagentur verantwortlich. Das Finanzministerium ist wiederum Gesellschafter der Lottogesellschaft in Sachsen-Anhalt und schlug in 2012 Maren Sieb zur Geschäftsführerin bei Lotto vor. Bei einem so sensiblen Bereich wie dem Glücksspiel sollte man meinen, dass ein Geschäftsführer wenigsten ein klein wenig Erfahrung in diesem Bereich besitzen sollte. Die damalige Radiomoderatorin und Besitzerin einer Werbeagentur besaß diese jedoch definitiv nicht, wie aus einem Bericht des Personaldienstleisters Kienbaum hervorging, der als vertraulich behandelt wurde. Dafür war sie jedoch gut vernetzt, wie andererseits positiv vermerkt wurde. Genauso dubios wie die Wahl einer Radiomoderatorin ohne Erfahrung in Sachen Glücksspiel zur Chefin muten auch einige Personalfragen unter ihrer Leitung bei der Lottogesellschaft an. Zahlreiche Posten für Bereichsleiter mit sechsstelligen Gehältern wurden nur über Facebook und im Internet ausgeschrieben und später viele Unterlagen von Bewerben vernichtet, weshalb verwandtschaftliche Beziehungen nicht ausgeschlossen werden können. Ebenfalls fand der Rechnungshof heraus, dass gleich zwei Stellen als Bereichsleiter mit Personen besetzt wurden, die weder über eine kaufmännische Ausbildung noch über Erfahrung im Vertrieb verfügten. Die einen würden dies Zufall nennen, die anderen hingegen ein Muster.

Inmitten eines gigantischen Skandals entscheidet Lotto Sachsen-Anhalt die Studien zur Glücksspielsucht an das ISD zu vergeben, nachdem diese zuvor der Behörde BZgA entzogen wurde, die anscheinend nicht die gewünschten Ergebnisse zur Rechtfertigung des Glücksspielmonopols lieferten. All dies in einem Zeitraum, in dem beide Geschäftsführer zuerst beurlaubt und später gar fristlos entlassen wurden, nur um womöglich einer öffentlichen Ausschreibung zu entgehen. Vor diesem Hintergrund ist es keine Wunder, dass der Kampf der privaten Online Casino Betreiber gegen das Glücksspielmonopol dem berühmten Kampf gegen Windmühlen gleicht.

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