EU-konformen GlücksspielstaatsvertragWer an die Partei der Grünen denkt, dem kommt zumeist als erstes Umweltschutz, Flüchtlingspolitik oder der ominöse Veggie-Day in den Sinn. Doch nun haben deren Politiker und Abgeordneten, zumindest in Hessen, ein neues Feld für sich entdeckt, das Glücksspiel und hier vor allem Spielautomaten und Online Casinos. Allerdings dürfte es wohl so einige überraschen, dass neben den bei den Grünen obligatorisch geforderten Verboten, sich die Fraktion im hessischen Landtag nun ebenfalls für einen EU-konformen Glücksspielstaatsvertrag einsetzen will.

CDU/CSU erhält Unterstützung von den Grünen

Mit der beschlossenen Weigerung Schleswig-Holsteins im September vergangenen Jahres den 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrag zu ratifizieren, war bereits klar, der Glücksspielstaatsvertrag in seiner jetzigen Form ist nicht mehr zu halten. Dem folgte schließlich im April die Forderung der finanzpolitischen Sprecher von CDU/CSU, endlich ein neues, aber EU-konformes Glücksspielgesetz auf den Weg zu bringen. Unterstützung zu diesem Vorhaben kommt nun von überraschender Seite, von den Grünen aus Hessen. Diese fordern nämlich nun ebenfalls einen Glücksspielstaatsvertrag, der nicht länger die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union einfach ignoriert. Hauptsächlich dreht es sich dabei um Anbieter von Online Casinos und Sportwetten, die über eine Lizenz eines Mitgliedsstaates der EU verfügen und somit eigentlich ihre Dienste in der gesamten Union anbieten dürften.

Wenn es nach den Grünen in Hessen geht, soll mit einem neuen, EU-konformen Glücksspielstaatsvertrag zahlreiche Änderungen bei der Regulierung des Glücksspiels in Deutschland Einzug halten. So soll eine bundesweites Sperrsystem nach dem Vorbild in Hessen eingerichtet werden, bei dem sich Spieler dann übergreifen bei allen Anbietern selbst ausschließen können. Ebenfalls fordern die Grünen in ihrer Pressemitteilung in Verbindung mit diesem System die Einführung einer personengebunden Spielerkarte. Im Bereich der Online Casinos und Sportwetten wiederum will die Partei endlich eine vernünftige Regulierung auf den Weg zu bringen, die den Spieler- und Jugendschutz auch in diesen Sektoren durchsetzt. Im Gegenzug soll dafür „die Aufhebung der willkürlichen Zahl der zu vergebenden Konzessionen“ erfolgen. In der Vergangenheit hatte der Europäische Gerichtshof genau diese Begrenzung als EU-rechtswidrig eingestuft. Als letzten Punkt plädieren die Grünen für die Errichtung einer neuer Glücksspielaufsichtsbehörde, die länderübergreifend Online Casino Lizenzen vergibt und über die Einhaltung der Regularien beim Spielerschutz wacht. Hier könnte beispielsweise die britische UKGC als Vorbild dienen.

Die Partei der Grünen wäre natürlich nicht die Partei der Grünen, wenn nicht doch irgend etwas verboten werden soll. So hat hier die Landesfraktion in Hessen jetzt die Gastronomie ganz fest im Blick, wo bis zu drei Spielautomaten pro Etablissement stehen dürfen. Da diese, anders als richtige Spielhallen, gesetzlich völlig unterschiedlich behandelt werden, mangelt es hier häufig an geschultem Personal, einer sorgsamen Einlasskontrolle und beim Erkennen von problematischem Spielverhalten. Durch den Kahlschlag bei den klassischen Spielhallen, wachsen seit Monaten sogenannte Automatencafes wie Pilze aus dem Boden, da diese nicht von den Abstandsregeln betroffen sind.

Die neuste Studie in Hessen gab den Stein des Anstoßes für die Grünen

Diese veröffentlichte Position der Landesfraktion der Grünen, die in Hessen zusammen mit der CDU in der Regierung sitzt, kommt nun kurz nach der Veröffentlichung einer neuen Studie. Diese vom Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration für 400.000 Euro in Auftrag gegebene Untersuchung hatte sich ausführlich mit der Situation in Hessen beschäftigt. Dabei lag ein Schwerpunkt darin, inwieweit das 2014 eingeführte Sperrsystem OASIS den Spieler- und Jugendschutz verbessert hat und wie die Möglichkeit des landesweiten Selbstausschlusses angenommen wird. Dabei kam die Studie, die von Prof. Dr. Gerhard Meyer vom Institut für Psychologie und Kognitionsforschung an der Universität Bremen durchgeführt wurde, zu einem äußerst positiven Ergebnis. Denn mittlerweile füllen fast 16.300 Personen das Register von OASIS in Hessen. Besonders interessant ist dabei, dass kaum eine Sperre durch Dritte, also Familienangehörige oder Betreiber von Glücksspieltempeln, erfolge, sondern 99 Prozent der Kunden sich selbst ausschlossen. Für viele problematische Spieler ist ein Sperrsystem auf freiwilliger Basis somit eine Art Rettungsanker das selbst erkannte Problem in den Griff zu bekommen. Ein bundesweites Sperrsystem wie OASIS, welches von CDU/CSU, der FDP in Schleswig-Holstein sowie nun auch von der Landtagsfraktion der Grünen in Hessen gefordert  wird, wäre somit ein deutlicher Fortschritt beim Spielerschutz. Zusätzlich ausgedehnt auf Online Casinos und Sportwetten, würde diese Maßnahme wohl zu einer deutlichen Reduzierung der negativen Auswirkungen der Spielsucht in Deutschland führen.

Neben den positiven Erfahrungen mit OASIS, bei dem gesperrte Kunden angaben hierdurch weniger zu Zocken und dadurch von einer verbesserten Lebensqualität zu profitieren, brachte die Studie jedoch auch Defizite ans Licht. Diese betreffen vor allem den Spielerschutz in den Glücksspieltempeln. Wie durch Test festgestellt wurden, wurden nur in 4 von 5 Fällen tatsächlich Einlasskontrollen durchgeführt. Noch gravierender war jedoch die mangelnde Sensibilität beim Erkennen von Spielsucht. Gerade einmal in 7 Prozent der Fälle von simuliertem und damit eigentlich deutlich zu erkennendem problematischem Spielverhalten reagiert das Personal richtig und sprach den Spieler darauf an. Erschreckend waren ebenfalls die 28 Prozent an getesteten Spielhallen, die gesperrte Spieler ohne Kontrolle an den Geldspielgeräten zocken ließen. Aus diesen Umständen leitete die Studie ebenfalls einige Verbesserungen und Maßnahmen ab, die größtenteils von den Grünen in ihrer Forderungen übernommen wurden. Darunter beispielsweise eine bundesweite Sperrdatei sowie eine personenbezogene Spielerkarte, bei der zusätzlich Verlustlimits zum Einsatz kommen können. Als härtste Maßnahme gegen die Spielsucht plädiert die Studie zudem für ein generelles Verbot von Spielautomaten in gastronomischen Einrichtungen, um das Ausweichen in diesen Bereich zu unterbinden.

Der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen in Hessen, Jürgen Frömmich, nutzte die Presseaussendung ebenfalls, um klarzustellen, dass Hessen notfalls bei der Regulierung des Glücksspiels eigene Wege gehen könnte. Dies würde dann eintreten, wenn sich andere Bundesländer weiterhin weigern, einen EU-konformen Glücksspielstaatsvertrag auf den Weg zu bringen. So erklärte er: „Wenn die anderen Länder nicht bereit sind, einer rechtssicheren und europarechtskonformen Ausgestaltung des Glücksspielstaatsvertrags zuzustimmen, muss Hessen mit einzelnen anderen Bundesländern einen eigenen Weg für ein eigenes Glücksspielgesetz gehen.“ Hier stehen vor allem Schleswig-Holstein und NRW auf der Seite Hessens und bilden den Kern der sogenannten Rebellen.

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