Anfang Juli dieses Jahres ließ eine Meldung der GGL, der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder, zum Thema Netzsperren aufhorchen. Unter der Führung von Nadja Wierzejewski soll sich ab diesem Zeitpunkt eine neue Abteilung dem Kampf gegen das illegale Online-Glücksspiel in Deutschland widmen. Von hier aus wird auch mit Verwaltungsverfahren, Strafverfolgung, Netzsperren und Zahlungsblockaden jede Menge Druck auf die Betreiber von Online Casinos und Anbieter von Sportwetten aufgebaut werden, die kaum Chancen auf eine Erlaubnis haben. Da jedoch die GGL wohl noch immer personell unterbesetzt zu sein scheint, versucht die Glücksspielbehörde nun womöglich einen wichtigen Teil ihrer eigentlichen Arbeit einfach auf die Internetprovider abwälzen zu wollen. Konkret geht es dabei um die hoch umstrittenen Netzsperren, die nach den Wünschen der GGL einfach durch die Provider auf Zuruf der Behörde gegen unliebsame Glücksspielanbieter angewendet werden sollen. Vodafone, Telekom und PŸUR haben diesen Vorschlag allerdings wegen rechtlichen Bedenken bereits abgelehnt.
Rundschreiben der GGL zum Thema Netzsperren an die Provider klingt wie eine Drohung
Netzsperren sollten eigentlich das letzte Mittel bei der Verfolgung illegaler Inhalte im Internet sein, so zumindest sieht es der Bundesgerichtshof in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen. Diese können erst zum Tragen kommen, wenn alle anderen Maßnahmen gegen dieses Angebot ohne Erfolg blieben. Wird diese Rechtsauffassung nun auf das Online-Glücksspiel in Deutschland übertragen, stellt sich die Frage, ob Netzsperren auf Zuruf der GGL an die Provider überhaupt zulässig sind. Selbst wenn nun argumentiert wird, dass Urheberrecht und Glücksspielrecht zwei völlig unterschiedliche Dinge sind, dann gilt noch immer der neue Glücksspielstaatsvertrag von 2021. Hier ist unter Paragraf 9, Absatz 1, Punkt 5 klar geregelt, dass Netzsperren nur dann gegen Anbieter von illegalen Glücksspielen eingesetzt werden dürfen, wenn die zuvor getroffenen Maßnahmen wie Verwaltungsverfahren, Untersagung oder Strafverfolgung keine Wirkung erzielt haben. Dies steht deutlich im Widerspruch zur Idee der GGL über eine „kooperative Zusammenarbeit“ mit den Internetprovidern, die Netzsperren ohne vorherige Maßnahmen gegen die Anbieter auf Zuruf der Behörde bringen soll.
In dem auf Netzpolitik veröffentlichten Rundschreiben der GGL vom 14. Juli 2022 an die Internetprovider in Deutschland zum Thema Netzsperren gegen illegale Glücksspielanbieter möchte die Behörde die eigene Arbeit gern an private Firmen abwälzen. Anders lässt sich diese Idee nicht erklären, dass Provider, die sich zur Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder verpflichten, sofort eine Sperrung einer Internetdomain umsetzen müssten, wenn sie darum gebeten werden. Dies verstößt nicht nur gegen den neuen Glücksspielstaatsvertrag, sondern würde ebenfalls die Provider womöglich in rechtliche Schwierigkeiten bringen. Schließlich ist die Freiheit des Internets ein kostbares Gut, weshalb Netzsperren fast immer Verwaltungsverfahren und offizielle Anordnungen zur Blockierung vorausgehen müssen.
Interessanterweise verweist in ihrem Schreiben die GGL auf die eigene Whitelist, in der alle bisherigen Glücksspiellizenznehmer erfasst sind und rechtlich als einzige legale Anbieter betrachtet werden. Virtuelle Spielhallen und Buchmacher ohne eine solche Konzession, die sich bereits an die neuen Regeln halten, sind nur geduldet und rein rechtlich jedoch ebenfalls illegal. Genau hier liegt der Knackpunkt. Denn obwohl die GGL sagt, dass sie nur Netzsperren gegen Anbieter einsetzen will, die kaum eine Chance auf die Erteilung einer Erlaubnis haben, ist dies keine rechtsverbindliche Zusage. Sollte die GGL nämlich einfach ihre Meinung ändern und die Provider würde sich an diese rechtlich bedenkliche “kooperative Zusammenarbeit“ halten, könnten deren Seiten ohne vorherige Verwaltungsverfahren, Untersagungen oder Strafverfolgung doch plötzlich blockiert sein.
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder macht es sich zu einfach
Aus dem Rundschreiben der GGL in Bezug auf Netzsperren an die Internetprovider in Deutschland lässt sich ebenfalls zwischen den Zeilen herauslesen, warum wohl die Behörde gern ihre Arbeit auslagern möchte. Zum einen erklärt die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder, dass aus Erfahrung oftmals ausländische Anbieter von Online Casinos und Buchmacher eine Untersagung einfach ignorieren und weiterhin Spielautomaten, Live Casino Spiele und Sportwetten an deutsche Kunden anbieten. Zum anderen gestalte sich der Vollzug im Ausland häufig schwierig und nicht mit allen Ländern bestehen überhaupt Abkommen. Wegen der daraus resultierenden geringen Erfolgsquote würde die GGL wohl gern das eigentlich notwendige Verwaltungsverfahren gegen die Betreiber und Anbieter illegalen Glücksspiels gleich ganz weglassen und macht Vodafone, Telekom und PŸUR folgenden Vorschlag:
Wir bieten Ihnen daher an, dass anstelle des formellen Verwaltungsverfahrens eine direkte Kommunikation zwischen der GGL und Ihnen als Internet-Service-Provider hergestellt wird, die zum Ergebnis hat, dass eine Sperre von Ihnen ein- gerichtet wird, Verwaltungskosten aber nicht anfallen. Wir erwarten nur, dass die Sperrung umgehend umgesetzt wird und wir unmittelbar in geeigneter Form – im Sinne eines Nachweises der Sperrung – unterrichtet werden. Möglich erscheint ein Nachweis per Screenshot oder, falls technisch umsetzbar, per Protokoll, aus dem die Einrichtung der Sperre hervorgeht.
Sollten die Internetprovider dieser Idee folgen, müssten die erbetenen Netzsperren der GGL sofort umgesetzt werden. Betroffene Glücksspielanbieter hätten dadurch nicht einmal die Möglichkeit, sich zuvor vor Gericht zu wehren, wie dies in einem Rechtsstaat eigentlich üblich sein sollte. Dass ihre Internetseiten in Deutschland durch Telekom oder Vodafone blockiert werden, würde wohl erst für die Unternehmen deutlich, wenn es massive Kundenbeschwerden hagelt und der Datenverkehr einbricht. Zudem ist keine Behörde vor Fehlern gefeilt, weshalb es ja nicht ohne Grund einen Ablauf mit Verwaltungsverfahren, Untersagung und Strafverfolgung gibt.
Auch bei den Sportwetten herrscht ein merkwürdiges Rechtsverständnis!
Zuletzt zeigte sich auch bei den Sportwetten ein merkwürdiges Rechtsverständnis bei einigen politischen und behördlichen Organisationen. Das Regierungspräsidium Darmstadt forderte aufgrund eines Beschlusses des Glücksspielkollegiums die Buchmacher in Deutschland auf, nur noch Sportwetten anzubieten, die die in einer Liste genehmigt wurden sowie sofortigen Vollzug. Dem widersprach der VG Darmstadt und erließ einen Hängebeschluss, da noch zahlreiche Gerichtsverfahren hierzu anhängig sind.
Wenn Provider einfach auf Bitten der GGL Netzsperren gegen Online Casinos und Buchmacher umsetzen sollen, wozu braucht es dann eigentlich noch die neue Abteilung für den Kampf gegen illegales Glücksspiel. Alle Anbieter, die sich nicht auf der Whitelist befinden und keinen Antrag auf eine Lizenz gestellt haben, könnten mit einem Strich blockiert werden. All dies, ohne den Unternehmen die Chance auf eine Verteidigung oder Darlegung ihrer Sichtweise zu ermöglichen, nur um sich die Arbeit eines ordentlichen Verfahrens zu ersparen.
Internetprovider wehren sich gegen diese Pläne
Würde das Rundschreiben der GGL in Bezug auf Netzsperren gegen illegales Glücksspiel nur aus dem ersten Teil mit der Bitte um Kooperation bestehen, könnte dies noch als recht unglückliche Idee für die Arbeitsreduzierung innerhalb einer Behörde durchgehen. Leider gibt es jedoch noch einen zweiten Teil, der durchaus als Drohung interpretiert werden kann, auch wenn dies selbstverständlich durch die GGL abgestritten wird. Für den Fall nämlich, dass sich die Internetprovider nicht an dieser rechtlich bedenklichen „kooperativen Zusammenarbeit“ beteiligen wollen, führt die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder gleich schwere Geschütze auf. Diese müssten dann mit jeder Menge Verfügungen zur Sperrung von Glücksspielseiten rechnen, die zeitnah umgesetzt werden sollten. Geschieht dies nicht, könnten Bußgelder von bis 500.000 Euro fällig werden. Ebenfalls könnten dann ebenso Verwaltungskosten in Höhe zwischen 500 und 500.000 anfallen.
Wie Netzpolitk in Bezug auf das Rundschreiben der GGL über die gewünschten Netzsperren weiter ausführt, haben bereits die großen Internetprovider wie Telekom, Vodafone und PŸUR die Pläne der Glücksspielbehörde dankend abgelehnt. Vodafone beispielsweise stellte klar, dass der Provider sich an Recht und Gesetz halten wird und deshalb den Vorschlag der GGL ablehnt. Die Deutsche Telekom wiederum betonte, dass das Unternehmen nur dann Netzsperren einrichten wird, wenn eine „konkrete, rechtsgültige Anordnung vorliegt“. Zu guter Letzt erklärte noch PŸUR, dass es keinen Grund für das Unternehmen gäbe, den Wünschen der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder in dieser Sache nachzukommen.
Laut Netzpolitik äußerte sich ein kleinerer Provider deutlich drastischer gegenüber den fragwürdigen Plänen der GGL in Bezug auf die Netzsperren, wollte allerdings aus Furcht vor Ungemach durch die Behörde anonym bleiben. Er warnte vor erheblichen rechtlichen Risiken für die Provider sowie vor missbräuchlicher und zu häufiger Anwendung von Netzsperren, die sogar zur „Etablierung einer Zensurplattform“ führen könnte. Auch wenn die GGL in ihrem Schreiben die angedrohten Zwangsgelder nur als Hinweis an die Provider verstanden haben will, sieht dies ein Unternehmen als Drohung und das andere als „ziemlich unsubtiles Erpresserschreiben“ an.
Auch aus der Politik hagelt es Kritik an der GGL und ihrem Gebaren rund um Netzsperren
Dass die Provider wie Vodafone, Telekom und PŸUR kein Interesse daran haben, sich beim Thema Netzsperren wegen der GGL die Finger zu verbrennen, ist wenig verwunderlich. Doch sind sie nicht die Einzigen, die die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder für ihre Idee der „kooperativen Zusammenarbeit“ mit Blockaden von Internetseiten auf Zuruf kritisieren. Deutlicher Widerstand kommt beispielsweise auch aus der Politik in Gestalt von Petra Sitte. Die Abgeordnete der Partei Die Linke sitzt im Digitalausschuss des Bundestags und erklärte, dass es aus ihrer Perspektive ein klarer Fehler war, der GGL die Möglichkeit einzuräumen, Netzsperren anordnen zu können. Zu dem Vorschlag der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder an die Provider, die aufwendigen Verwaltungsverfahren zu umgehen, verwies sie auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hatte mehrfach bestätigt, dass Internetblockaden gegen die verbrieften Grundrechte abzuwägen sind. Bei Netzsperren auf einfachen Zuruf wäre dies nicht gewährleistet, schließlich wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass Eingriffe in die Grundrechte nicht über den „kurzen Dienstweg“ erfolgen dürfen. So Petra Sitte gegenüber Netzpolitik.
Ebenfalls vor den angedachten Netzsperren warnte Maximilian Funke-Kaiser von der FDP in seiner Funktion als digitalpolitischer Sprecher der Partei. Für ihn sollten immer zuerst mildere und möglichst auch effektivere Mittel eingesetzt werden, bevor zu solch schweren Geschützen gegriffen wird. Dem Argument, Netzsperren nur als allerletztes Mittel anzuwenden, folgte auch Tabea Rößner von den Grünen. Als Vorsitzende des Digitalausschusses des Bundestages sieht sie Netzsperren insgesamt sogar äußerst kritisch. Jede Einführung, wie nun auch von der GGL geplant, könnte generell „zu einem Dammbruch für Inhaltesperrungen“ führen, so die Politikerin gegenüber Netzpolitik. Trotz dieser generellen Kritik vermied sie es jedoch der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder direkt auf den Schlips zu treten. So bezeichnete sie deren Vorschlag zur Umgehung der Verwaltungsverfahren sowie das Rundschreiben nur als unglücklich.
Die bisherigen Lizenznehmer im Online-Glücksspiel in Deutschland (Stand 21.07.22)!
- Mernov von Novomatic und Merkur
- Mybet von Ruleo Alpenland AG
- Tipwin von Tipwin
Auch wenn Tabaea Rößner sich gegenüber den Netzsperren kritisch zeigte, überraschte sie doch mit dem Hinweis, dass das Rundschreiben der GGL in Bezug auf die Netzsperren an die Provider ja nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Hierzu kann nur Netzpolitik und dem Provider, der dem Magazin das Schreiben der GGL zugespielt hat, gedankt werden. Rechtlich mehr als bedenkliche Versuche der Kungelei, die zu massiven Eingriffen in die Grundrechte eines jeden einzelnen Bürgers führen können, sollten generell in einer Demokratie nicht geschehen und wenn, dann natürlich veröffentlicht werden. Ebenfalls sollte endlich der hoch gefährliche Trend gestoppt werden, hoheitliche Aufgaben an Privatunternehmen auszulagern, wie dies bereits zuvor beim Thema Urheberrecht und Hassrede geschah.
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