DHS Jahrbuch Sucht 2021

Fake News oder Realität? DHS Jahrbuch Sucht 2021 sieht keinen Boom oder starke Abwanderung durch Corona zu den deutschen Online Casinos. (Bildquelle: pixabay by memyselfaneye)

Jedes Jahr im April legt die DHS, die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, ihr Jahrbuch Sucht vor und in 2021 fördert dieses einen Umstand zutage, mit dem wohl kaum jemand in der Politik oder den Medien gerechnet hätte. Bislang sieht die DHS nämlich keine Bestätigung für das oftmals in den letzten Monaten von Politikern vorgebrachte Argument gegen die Legalisierung der deutschen Online Casinos, dass diese in der Pandemie einen regelrechten Boom erleben würden. Tatsächlich, so scheint es, nutzen viele Kunden die Pandemie und die damit verbundenen Schließungen eher zu einem Ausstieg aus dem Glücksspiel und nur wenige wandern wegen Corona ins Internet ab. Während es somit bei der Glücksspielsucht und dem Konsum also eher nach unten geht, hat sich die Situation bei Alkohol, Tabak sowie Medikamenten und illegalen Drogen laut DHS Jahrbuch Sucht 2021 deutlich verschlechtert.

DHS Jahrbuch Sucht 2021 räumt mit dem Märchen zur Abwanderung in Online Casinos auf

Laut dem neuen DHS Jahrbuch Sucht 2021 scheint die Glücksspielsucht die einzige Sucht zu sein, die in 2020 während der Pandemie mit zahlreichen Lockdowns in der Bevölkerung in Deutschland nicht weiter zunahm. Ebenfalls gibt es laut Ilona Füchtenschnieder, der Vorsitzenden des Fachverbands Glücksspielsucht, bislang keine Bestätigung darüber, dass die Pandemie und die daraus folgenden Eindämmungsmaßnahmen zu einem Boom beim Online-Glücksspiel geführt hätten. Eher scheinen Schließungen von Wettbüros, Spielhallen und Casinos zu einer Verringerung des Konsums in der Bundesrepublik geführt zu haben. So erklärt Füchtenschnieder hierzu in der Pressemeldung der DHS: Wir beobachten während der Coronakrise auch positive Effekte auf das Suchtverhalten. Glücksspielende, die bisher in Spielhallen gespielt haben, wandern nicht zwangsläufig ins Internet ab. Es gibt Berichte von Betroffenen, die den Lockdown als Ausstieg aus der Sucht genutzt haben und inzwischen spielfrei sind.“

Dieser Umstand dürfte für viele Politiker und Medien geradezu verblüffend sein, schließlich wurde seit Monaten mantraartig vor einer gigantischen Abwanderung aus dem stationären Bereich in die Online Casinos gewarnt. Federführend war hier besonders Georg Stecker, der Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft. Egal in welchem Zusammenhang, wenn es politisch oder öffentlich um Maßnahmen gegen Spielhallen ging, war Stecker der Erste, der sich des Arguments der angeblichen Abwanderung bediente. So warnte er 2019 beispielsweise davor, als in der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder über die Legalisierung der deutschen Online Casinos verhandelt wurde. Im Mai 2020 wiederum benutzte Georg Stecker das gleich Argument, als er die möglichst baldige Wiedereröffnung der Spielhallen und Casinos im ersten Lockdown in der Coronapandemie forderte. Im Oktober schließlich das gleich Spiel, nur dass dieses Mal vor Schließungen der Spielhallen im zweiten Lockdown gewarnt wurde. Fast scheint es, als wäre das Argumente einer angeblichen Abwanderung der Kunden so etwas wie die Geheimwaffe im Argumentationsbaukasten von Georg Stecker.

Georg Stecker scheint es als ausgesprochen clevere Idee zu halten, immer wieder das Märchen von der Abwanderung der Kunden in die Online Casinos zu erzählen, wenn negative Maßnahmen gegen die klassischen Spielhallen anstehen. Leider fallen immer wieder Politiker und Medien darauf herein und wiederholen ungeprüft dieses Argument, was ebenfalls zum schlechten Image der Online Spielhallen beiträgt. Nun mit der Auswertung im DHS Jahrbuch Sucht 2021 kann dieser ewig gleichen Schutzbehauptung endlich der Wind aus den Segeln genommen werden, schließlich ist Ilona Füchtenschnieder alles andere als eine Unterstützerin des Online-Glücksspiels.

Süchte rund um Tabak, Alkohol, Medikamente und illegale Drogen nehmen durch Corona deutlich zu

Neben der Feststellung, dass es bislang keine Hinweise auf eine große Abwanderung von Kunden aus dem stationären Glücksspiel in Online Casinos gibt, wartet das DHS Jahrbuch Sucht 2021 noch mit anderen interessanten Fakten auf. So erwartet Glücksspielexperte Prof. Gerhard Meyer aufgrund der Coronapandemie in 2020 einen Rückgang der Bruttospielerträge im regulierten Markt von rund 50 Prozent. Dies wären dann nur noch etwas mehr als 5,74 Milliarden Euro, die mit Lotto, Sportwetten sowie Spielbanken und Spielhallen umgesetzt worden wären. Selbst beim nicht regulierten Glücksspielmarkt, in den vor allem Online Casinos fallen, wird mit einem Rückgang in Höhe von 16,2 Prozent auf nur noch rund 2,2 Milliarden Euro gerechnet. Von einem Boom oder einer massiven Abwanderung von Kunden aus dem stationären Glücksspiel zu Online Casinos und Sportwetten im Internet kann somit wahrlich keine Rede sein. Die bislang veröffentlichten Daten aus dem DHS Jahrbuch Sucht 2021 sind hier mehr als eindeutig.

Ganz anders hingegen sieht die Situation bei den anderen Genussmitteln aus, die genau wie Glücksspiel zu Süchten führen können. Beim Alkohol geht das Jahrbuch Sucht 2021 von einer erhöhten getrunkenen durchschnittlichen Menge durch die Coronapandemie aus, kann jedoch nur mit Daten aus dem Jahr 2018 dienen. So stieg der durchschnittliche Reinalkohol gegenüber 2017 von zuvor 10,5 Liter auf nun 10,7 Liter. Zudem werden schätzungsweise 1,6 Millionen Menschen als alkoholabhängig bezeichnet und rund 1,4 Millionen Menschen verfügen über ein problematisches Konsumverhalten.

Beim Tabak sieht es ebenfalls nicht besser aus. Im Coronajahr 2020 stieg der Verbrauch von Feinschnitt, also selbstgedrehten Zigaretten um starke 10,6 Prozent an. Dies dürfte wohl auf die schwierigere Beschaffung von billigeren Zigaretten aus den Nachbarländern in den Grenzregionen zurückzuführen sein. Ebenfalls mit einem Plus von unglaublichen 44,3 Prozent stieg in 2020 der Verbrauch von Wasserpfeifentabak an. Diese Form des Rauchens ist vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsen besonders beliebt. Mit einer Zunahme von rund 3,7 Prozent gab es zudem ebenfalls ein Plus bei Zigarren und Zigarillos. Dem gegenüber fiel der Verbrauch von Fertigzigaretten nur um rund 1,1 Prozent, was insgesamt über alle Erzeugnisse hinweg zu einem starken Anstieg beim Umsatz aller Tabakwaren führte. Dieser kletterte in 2020 laut dem DHS Jahrbuch Sucht 2021 um stolze 5 Prozent auf nun 28,8 Milliarden Euro.

Auch bei den anderen Süchten wie Medikamente und illegale Drogen geht das DHS Jahrbuch Sucht 2021 von einer Zunahme im Coronajahr 2020 aus. Trauriger Höhepunkt war die deutliche Zunahme an Drogentoten in letzterem Bereich im Vergleich zu 2019. Hier stieg die Anzahl von vormals 1.398 auf jetzt 1.581.

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