Müssen die Online Spielautomaten in den virtuellen Spielhallen in Deutschland wegen fehlender Zertifizierung im Juli abgeschaltet werden? (Bildquelle pexels by Andrea Piacquadio)
Gerade einmal zweieinhalb Monate sind es noch bis in Deutschland der neue Glücksspielstaatsvertrag zum 1. Juli Inkrafttreten wird. Dann werden erstmals auch Online Casinos in Deutschland mit Spielautomaten und Poker erlaubt. Da jedoch erst zu diesem Stichtag die neue bundesweite Glücksspielbehörde ihre Arbeit aufnehmen wird, sind einige wichtige Fragen noch offen. Eine ist beispielsweise, wie die Online Casinos Spielautomaten ab Anfang Juli rechtlich einwandfrei anbieten können, wenn die notwendige Zertifizierung erst ab dem 1. Juli überhaupt starten kann. Die PTB, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, ist nämlich nur für die terrestrischen Geldspielgeräte nach eigenem Bekunden zuständig, aber nicht für die Automatenspiele im Internet.
Wer ist überhaupt für die Zertifizierung der Online Spielautomaten zuständig?
Eigentlich, so möchte man meinen, sollte erst dann ein Gesetz Inkrafttreten, wenn die zur Durchsetzung und Überwachung all der darin befindlichen Paragrafen zuständige Behörde auch tatsächlich bereits existiert. In Deutschland ist dies anders, zumindest in Sachen Online Glücksspiel. Gerade einmal seit Ende Februar ist überhaupt bekannt, in welches Gebäude die neue Glücksspielaufsicht in Halle in Sachen-Anhalt einziehen wird und fast alle Stellen sind noch zu besetzen. Selbst geht sie davon aus, erst gegen 2023 vollumfänglich ihre Arbeit aufnehmen zu können. Bis dahin bleibt in vielen Bereichen das Glücksspielkollegium der Länder zuständig und wird sämtliche Kompetenzen erst nach und nach an die neue Behörde abtreten. Daraus ergibt sich die Frage, wer denn dann eigentlich die Zertifizierung der Online Spielautomaten übernehmen wird, damit ein reibungsloser Übergang aus der Duldungsphase in die Legalität im Sommer überhaupt funktioniert.
In Paragraf 22a Absatz 1 Satz 2 und 3 zu den virtuellen Automatenspielen steht folgendes: „Erlaubnisinhaber nach § 4 Absatz 5 dürfen ein virtuelles Automatenspiel nur anbieten, wenn dieses zuvor auf deren Antrag von der zuständigen Behörde erlaubt worden ist. Der
Behörde ist hierzu eine Version des Spiels zum Zweck der Erlaubniserteilung zur Verfügung zu stellen.“
Die hier zitierten Erlaubnisinhaber im Fall der Online Spielautomaten sind die Betreiber von Online Casinos, die nach diesem Wortlaut ihre anzubietenden Slots zur Zertifizierung oder zur Erlaubnis vor Verwendung der entsprechenden Behörde vorzulegen haben. Erst dann kann diese die eingereichten Glücksspiele erlauben. Wenn dies zwingend erforderlich ist, müssten theoretisch sämtliche Anbieter ihre Online Automatenspiele zum 1. Juli in Deutschland abschalten, da diese dann zum Start logischerweise über keine Erlaubnis verfügen. Die notwendige Zertifizierung kann ja erst dann durch die neue Glücksspielaufsichtsbehörde oder Glücksspielkollegium der Länder erfolgen, wenn der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten ist. Schließlich bildet er erst die gesetzliche Grundlage für diesen Prozess. Noch schlimmer ist daran, dass ab dem 1. Juli sämtliche Automatenspiele im Internet, die über keine Erlaubnis verfügen, als illegal zu betrachten sind, was sich aus dem letzten Satz in Paragraf 22a Absatz 1 ergibt.
„Virtuelle Automatenspiele, die nicht nach Satz 2 erlaubt sind, sind unerlaubte Glücksspiele.“
Womöglich greift weiterhin der Nichtangriffspakt
Da erst Anfang Juli mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag überhaupt die gesetzliche Voraussetzung für eine Zertifizierung von Online Spielautomaten geschaffen wird, kann noch kein Betreiber zu diesem Zeitpunkt über eine solche Erlaubnis verfügen. Zusätzlich gibt es zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch keine Erlaubnisinhaber, also Online Casinos mit Lizenz aus Deutschland, da der Bewerbungsprozess für die notwendigen Konzessionen ja erst frühestens ab dem 1. Juli beginnt. Rein rechtlich bedeutet dies nichts anderes, als dass niemand laut den Regeln im neuen Glücksspielstaatsvertrag ab dem 1. Juli überhaupt legal nach deutschem Recht virtuelle Automatenspiele anbieten darf. Hier hilft auch die Duldung nicht weiter, da schon festgestellt wurde, dass diese nur als Verwaltungsanweisung zu betrachten ist und nur vor der Verfolgung durch die Glücksspielbehörden der Bundesländer schützt. Strafrechtlich hingegen hat die Duldung überhaupt keine Auswirkungen, wie in der Vergangenheit die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main erklärte. Da das Verbot von Online Casino Spielen weiterhin gültig ist, werden Anbieter wie Tipico trotz Duldung weiterhin von ihr verfolgt.
Werden all diese Punkte zusammengefasst, dürfte es Anfang Juli überhaupt keine virtuellen Automatenspiele in Deutschland mehr geben. Dies würde jedoch bedeuten, dass der Schwarzmarkt mit Online Spielautomaten über Monate explodieren würde, bevor die Zertifizierung überhaupt in Gang kommen würde. Dies dürfte nicht im Interesse der Politik sein, weshalb wohl eher der Nichtangriffspakt verlängert werden dürfte. Die Online Casino Betreiber können weiterhin ihre virtuellen Automatenspiele nach dem 1. Juli anbieten, wenn diese die Regeln aus dem neuen Glücksspielstaatsvertrag einhalten. Im Gegenzug bemüht sich die neue Glücksspielbehörde sowie das Glücksspielkollegium der Länder die Vergabe der Online Lizenzen sowie die Zertifizierung der Online Spielautomaten möglichst schnell abzuschließen. Gleichzeitig wird nur gegen Betreiber vorgegangen, die sich absehbar nicht um eine Konzession bewerben wollen sowie gegen Anbieter, die Automatenspiele anbieten, die nicht den neuen Regularien entsprechen. Anders dürfte das Problem kaum zu lösen sein, ohne dass die gesamte Neuregulierung auf einen Schlag wie ein Kartenhaus zusammenfällt.
In der Schweiz war in der Vergangenheit hautnah zu erleben, was passiert, wenn zu Beginn einer Neuregulierung in Sachen Online Casinos kein vernünftiger Übergang eingeplant wurde. Zu Beginn des neuen Geldspielgesetzes wurden die ersten ausländischen Betreiber mit Netzsperren ausgeschlossen, ohne dass es bereits landeseigene virtuelle Spielhallen gab. Die extrem langsame Lizenzierung führte dazu, dass es nach gut einem Jahr gerade einmal ein Handvoll Online Casino in der Schweiz gab. Zusätzlich lief die Zertifizierung der Online Spielautomaten und Live Casino Spiele extrem schleppend, was zu einem extrem mageren Angebot an Glücksspiel führte. Nur wenige Online Casinos mit Slots von gerade einmal zwei bis drei unterschiedlichen Spielautomatenherstellern im Angebot waren über Monate die Folge und ließen die Kunden in Scharen in den Schwarzmarkt abwandern. Eine Situation, die Deutschland theoretisch ebenfalls drohen könnte.
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