Nachdem am 23. Juni die umstrittene Einsatzsteuer auf Spielautomaten und Poker in Online Casinos vom Bundestag beschlossen wurde, brauchten die Verbände aus der Glücksspiel- und Medienindustrie ein wenig Zeit zum verdauen. Nun jedoch, wenige Tage später, melden sie sich zu Wort und lassen kein gutes Haar an der Entscheidung der Abgeordneten von CDU, CSU, SPD und Grüne, die für die Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes gestimmt hatten. Von einer kommenden Abwanderungswelle in den Schwarzmarkt über die Opferung des Spielerschutzes aufgrund steuerlicher Begehrlichkeiten bis hinzu zur Gefahr, die komplette Regulierung in den Sand zu setzten, reicht die Kritik von DSWV, DOCV und DVTM.
Für die Verbände steht die komplette Regulierung der Online Casinos in Deutschland auf dem Spiel
Selten sind sich Vereinigungen aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen in allen Punkten gegenüber der Politik einig, schließlich sind oftmals ganz unterschiedliche Interessenlagen vorhanden. Die hoch umstrittene Einsatzsteuer auf Spielautomaten und Poker in Online Casinos vereint jedoch in ihrer scharfen Ablehnung sowohl Verbände aus der Glücksspielbranche wie auch aus den Medien. Die zum Teil unterschiedlich vorgebrachte Kritik lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Mit dieser Steuer gefährdet Deutschland die Kanalisierung ins legale Spiel, den Spielerschutz und bringt womöglich die gesamte Regulierung in Gefahr.
DSWV: Für den DSWV, vertreten durch dessen Präsidenten Mathias Dahms, ist der Ansatz, den Spieleinsatz mit 5,3 Prozent zu besteuern, völlig fehlgeleitet. Alle anderen europäischen Länder ziehen nämlich zur Abgabenlast bezeichnete er als „steuerpolitischen Geisterfahrer in Europa“. Zusätzlich kritisierte der Präsident des Deutschen Sportwettenverband und zugleich CEO von Merkur Sports & Gaming, dass damit sämtliche zuvor erzielten positiven Kompromisse über den Haufen geworfen werden. Mit einer zu hohen Besteuerung würden die Bundesländer auf der letzten Meile ihr zuvor geschaffenes Werk mehr oder weniger vernichten. Die Kosten für den Verbraucher durch die sinkenden Auszahlungsquoten werden zu einer massiven Abwanderung in den Schwarzmarkt führen und das Gegenteil der selbst gesteckten Ziele aus dem Glücksspielstaatsvertrag bewirken. Laut Prof. Dr. Justus Haucap von der Uni Düsseldorf, auf den sich Dahms mit seinem Verband bezieht, könnten mehr als die Hälfte der Kunden den lizenzierten Anbietern von Online Casinos aufgrund der Einsatzsteuer Lebewohl sagen.
DOCV: In die gleiche Kerbe wie der DSWV schlägt wenig überraschend auch der DOCV, der Deutsche Online Casino Verband und kritisiert die geplante Einsatzsteuer auf das virtuelle Automatenspiel und Poker im Internet heftig. Für Dr. Dirk Quermann, dem Präsidenten des DOCV, ist diese Besteuerung der „einsame und riskante Sonderweg Deutschlands“, der sich rächen wird. „[…] Leidtragende werden die lizenzierten Anbieter, die Verbraucherinnen und Verbraucher und der Fiskus sein,“, so der CEO der Merkur Media GmbH und Verantwortliche im Gauselmann-Konzern für Politik, Märkte und Lizenzen. Damit verweist Quermann ebenfalls auf die zu erwartende mangelnde Kanalisierung und Abwanderung in den Schwarzmarkt. Genau wie zuvor ebenso Mathias Dahms, sprach er auch das laufende Kontrollverfahren durch die EU-Kommission gegen die Einsatzsteuer an. Der DSWV sowie die EGBA, die European Gaming and Betting Association, hatten zuvor eine EU-Beihilfebeschwerde eingelegt. Ihrer Meinung nach ist die unterschiedliche Besteuerung von virtuellem und stationärem Automatenspiel eine extreme Bevorteilung des letzteren Sektors. Bis zu 741 Millionen Euro sollen es bundesweit sein, die der klassische Glücksspielbereich aus Spielhallen und Spielbanken weniger zahlen muss, als wenn sie von der gleichen Steuer betroffen wären. Da der Bundestag die Auswertung durch die EU-Kommission nicht abgewartet hat, kann sogar der ganze gerade erst neu regulierte Glücksspielmarkt in Gefahr gebracht werden. Hierzu Dr. Quermann: „Sollten die EU-Kommission oder Gerichte nachträglich feststellen, dass die Steuer gegen EU-Recht verstößt, wird der gesamte regulierte Glücksspielmarkt in Deutschland in Gefahr gebracht.“
DTMV: Neben den beiden Verbänden aus der der deutschen Glücksspielindustrie gab es auch vom DTVM, dem Deutschen Verband für Telekommunikation und Medien, nur Kritik zur neuen Einsatzsteuer in Online Casinos zu hören. Präsident Renatus Zillus sprach sogar davon, dass aus rein steuerlichen Gründen das oberste Ziel des neuen Glücksspielstaatsvertrags geopfert würde, nämlich der Spieler- und Jungendschutz. Dies ist logisch, schließlich werden in Zukunft bis zur Hälfte der deutschen Kunden in Online Casinos und bei Buchmachern einchecken, die in Übersee ihren Sitz haben und entweder schwache oder gar keine Lizenzen vorweisen können. Mit der zu hohen Besteuerung und Überregulierung werden der Bund und die Länder Tausende Menschen ohne Not in die Fänge des Schwarzmarkts treiben. Zillus verweist hierzu auf den Umstand, dass auch in Zukunft illegale Angebot im Internet nur einen Mausklick entfernt sein werden und nur attraktive legale Angebote eine Abwanderung verhindern können. Geringere Auszahlungsquoten und Gängelung des Endverbrauchers sowie völlig Durchleuchtung des gläsernen Spielers sind jedoch genau das Gegenteil von Attraktiv.
Zu guter Letzt ging auch der DTVM auf die anhängigen EU-Beihilfebeschwerden ein und skizzierte einen theoretischen Super-GAU für die gesamte stationäre Glücksspielindustrie. So erklärte der Verband zur Einsatzsteuer in Online Casinos: „Nach Meinung namhafter Experten droht Deutschland zudem ein finanzieller und politischer Kollateralschaden, da es sich bei der ‘Online-Einsatzsteuer’ mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit um eine europarechtlich unzulässige Beihilfe handelt. Des Weiteren gehen diese Experten davon aus, dass das Gesetz einer ‘Notifizierungspflicht’ auf EU-Ebene unterliegt und diese nicht beachtet wurde, mit der Folge, dass das Gesetz unanwendbar werden kann. Die Leidtragenden wären vor allem die Kommunen, Länder, Spiel-Casinos bzw. -Banken und Spielhallenbetreiber/die Automatenwirtschaft, die im Falle eines Verstoßes gegen das EU-Beihilferecht Ausgleichszahlungen in Milliardenhöhe leisten müssten, was den Wegfall eines Großteils der ca. 80.000 Arbeitsplätze in der Branche zur Folge hätte.“
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