Wie es scheint, haben in der Vergangenheit viele Politiker in Deutschland in Sachen Online Glücksspiel die Interessen vom Wirecard vertreten. (Bildquelle: pixabay by TheDigitalArtist)
Was für Österreich der Skandal rund um FPÖ, ÖVP, Novomatic und CASAG ist, ist für Deutschland Wirecard. Der einstige Star am deutschen Finanzhimmel entpuppte sich als betrügerisches Unternehmen mit wohl hoch kriminellen Managern, gegen die wegen Bilanzbetrug in Milliardenhöhe ermittelt wird. Was beide Fälle vereint, sind die Verbindungen zum Glücksspiel. Bei Wirecard ging es jedoch nicht um mögliche Online Casino Lizenzen, sondern um das Geschäft mit Transaktionen zwischen Betreiber von virtuellen Spielhallen und Buchmachern sowie deren Kunden. Da diese in großen Teilen nach deutschem Recht nicht erlaubt waren, setzte Wirecard beim Lobbying für das Online Glücksspiel auf amtierende oder ehemalige hochrangige deutsche Politiker. Neu im Fokus steht hierbei der ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen von der CDU.
Politiker Peter Harry Carstensen soll für Wirecard in Sachen Online Glücksspiel lobbyiert haben
Nach dem Ausbruch des Wirecard-Skandals machte schnell das Gerücht die Runde, dass der ehemalige deutsche Vorzeigefinanzkonzern wohl nur mit zwei Geschäftsfeldern wirklich Geld verdiente, nämlich mit der Pornoindustrie und dem Online Glücksspiel. In beiden Bereichen sickerten über die letzten Monate immer wieder neue Details an die Medien. In Österreich beispielsweise bediente sich der Finanzkonzern einiger Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, um die Bonität von Pornoseiten überprüfen zu lassen. Im heimischen Deutschland wiederum nutze Wirecard amtierende oder ehemalige Politiker, um für das Unternehmen in Sachen Online Glücksspiel auf Entscheidungsträger Einfluss zu nehmen. Wie nun die „Tagesschau“ berichtet, liegen dem NDR Auszüge aus dem E-Mail-Verkehr des Finanzkonzerns vor, die Verbindungen zu weiteren Politikern belegen sollen. Einer davon ist Peter Harry Carstensen aus der CDU. Dieser war von 2005 bis 2012 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Nur 2 Jahre nach seiner verlorenen Wahl im Bundesland stellte laut den E-Mails, die NDR vorliegen, die Rechtsanwaltskanzlei Hambach & Hambach den Kontakt zwischen Wirecard und dem Politiker her.
Im Februar 2014 soll es ein erstes Treffen zwischen dem Politiker, dem Anwalt Wulf Hambach und Burkhard Ley, dem Vorstand von Wirecard und Volker Bouffier gegeben haben, bei dem es wahrscheinlich auch um das Online Glücksspiel ging. Bouffier war damals Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und gehört ebenfalls der CDU an. Dies war jedoch nicht das einzige Lobbytreffen, bei dem sich Peter Harry Carstensen wohl für die Belange des Finanzkonzerns einsetze. So folgte beispielsweise 2015 der Versuch, ein Treffen mit Günther Oettinger zu organisieren, der zu dieser Zeit in der Europäischen Union als Kommissar für die digitale Wirtschaft zuständig war. Hierfür ließ Peter Harry Carstensen dem Wirecard-Manager Burkhard Ley die Telefonnummer des Kommissars zukommen. Des Weiteren gab es zudem ebenso eine Unterredung mit Olaf Scholz von der SPD, dem heutigen Finanzminister in der Bundesregierung. Dies erklärte Carstensen gegenüber dem NDR, nachdem dieser ihn mit den Inhalten aus dem E-Mail-Verkehr konfrontiert hatte. Zugleich betonte der Politiker, dass es zwar Zusammenkünfte gegeben hätte, er aber nie als Lobbyist für Wircard in Sachen Online Glücksspiel tätig war.
Die Verbindung zwischen dem Politiker Peter Harry Carstensen und Wirecard in Bezug auf das Online Glücksspiel ist mit einer gewissen Brisanz versehen. Carstensen war der Ministerpräsident, unter dessen Regierung in Schleswig-Holstein im Jahr 2011 ein eigenes Glücksspielgesetz beschlossen wurde, welches Online Casinos legalisierte. Höchstwahrscheinlich war es sein Status als Befürworter eines regulierten Online Casino Marktes in der Bundesrepublik, warum Wirecard auf ihn zukam.
Der Finanzkonzern wollte die Kontrolle über die Transaktionen zu und von Online Casinos
Wie die nun in Auszügen veröffentlichen E-Mails und bereits in der Vergangenheit durchgesickerten Informationen aufzeigen, wollte Wirecard in Deutschland die Kontrolle über sämtliche Transaktionen zu und von Online Casinos erlangen. Um an dieses Ziel zu gelangen, spielte der Finanzdienstleister die Karte Spielerschutz aus und stellte die eigene Kompetenz beim Zahlungsverkehr zwischen Kunden und Glücksspielanbietern heraus. Zugleich bot Wirecard der Politik an, als eine Art TÜV zu fungieren und damit andere Finanzdienstleister zu beurteilen, ob diese für diesen sensiblen Wirtschaftsbereich geeignet waren. Hätte dieser Plan funktioniert, hätte Wirecard die komplette Kontrolle den Zahlungsverkehr zwischen Online Casinos und Kunden erhalten. Zugleich hätte die damit verbundene Regulierung das Geschäftsmodell des Finanzkonzerns auch nach deutschem Recht legalisiert. Die zähen, sich über viele Jahre dahinziehenden Verhandlungen der Bundesländer machten diesem Plan jedoch einen Strich durch die Rechnung.
Peter Harry Carstensen war jedoch nicht der einzige deutsche Politiker, der sich für Wirecard in Sachen Online Glücksspiel einsetze. Bereits im Sommer letzten Jahres wurde bekannt, dass auch über Clemens Hoch von der SPD versucht wurde, Einfluss zu nehmen. Dieser war 2017 Staatskanzleichef in Rheinland-Pfalz und hier fand das erste Treffen, natürlich wieder mit Burkhard Ley, Anfang Februar des gleichen Jahres statt. Ein zweites Treffen folgte dann in 2018 am Rande eines SPD-Forums. Der umtriebige Ole van Beust aus der CDU, ehemaliger Bürgermeister von Hamburg, sollte hier natürlich ebenfalls nicht vergessen werden. Im Stile eines Hollywood-Schurken verkaufte er die Dienste seine Beratungsunternehmens gleich an beide Seiten. Zum einen vertrat er 2016 noch die Idee eines staatlichen Glücksspielmonopols und unterstützte die deutschen Lottogesellschaften. Zum anderen arbeite er nur ein Jahr später für das Pokerstars Casino. 2019 verlängerte zudem Wirecard den Vertrag mit der Firma von Ole van Beust. Laut Tagesschau, die sich auf die E-Mails beziehen, war das oberstes Ziel von Wirecard, dass dieser Politiker in Deutschland findet, die womöglich positiv in Sachen Online Glücksspiel eingestellt sind.
Der ehemalige Politiker Ole van Beust hatte die Beratungstätigkeit für Wirecard in Sachen Online Glücksspiel bereits im vergangenen Jahr vor dem Untersuchungsausschuss eingeräumt. Jeden Monat sollen zwischen 5.000 Euro und 7.500 Euro für die Dienste geflossen sein.
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