Lizenzvergabe Online-Glücksspiel

Die Politik ignoriert die gerichtlichen Bedenken zum Glücksspielkollegium und bringt die Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel in Gefahr. (Bildquelle: pixabay by geralt/herbert2512/WilliamCho)

Wer in den letzten 15 Jahren die Regulierung oder besser den Versuch einer anständigen Regulierung des Glücksspiels in Deutschland verfolgt hat, dem bleibt kaum eine andere Möglichkeit, als der Schwarzmalerei anheimzufallen. Mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag, der Anfang Juli 2021 in Kraft trat, sollte eigentlich der große Durchbruch gelingen, doch wieder einmal ist die Enttäuschung groß. Neben der absurd langsamen Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel, die schon an Wettbewerbsverzerrung grenzt, spielt wie bereits in der Vergangenheit einmal mehr auch das Glücksspielkollegium eine äußerst unrühmliche Rolle.

Dessen Entscheidungen sind nicht nur völlig intransparent, sondern diesem Gremium fehlt weiterhin jedwede demokratische und verfassungsmäßige Legitimität, wie dies bereits mehrfach gerichtlich in Deutschland festgestellt wurde. Dieser Umstand führte in der Vergangenheit bereits zweimal zu gescheiterten Konzessionsvergabeverfahren bei den Sportwetten und so stellt sich die Frage, ob auch jetzt die Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel wieder an der Intransparenz des Glücksspielkollegiums scheitern wird.

Kleine Anfrage zur Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel legt den Finger in die Wunde

Am 14. Juni dieses Jahres reichte der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Grascha eine Kleine Anfrage beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport ein, die nun endlich beantwortet wurde. In insgesamt 11 Fragen wollte der Politiker wissen, wie viele Erlaubnisse bei der Lizenzvergabe für das Online-Glücksspiel bislang erteilt wurden und wie sich hierzu die Entscheidungsprozesse innerhalb des Glücksspielkollegiums gestalten. In den Antworten auf diese Fragen wird einmal mehr deutlich, welche enorme Intransparenz bei der Vergabe der Konzessionen in Sachen virtuellem Automatenspiel und Internetpoker herrscht. Dies liegt am Glücksspielkollegium, welches aus den Repräsentanten der 16 Bundesländern besteht und an dessen Entscheidungen sich die ausführenden Organe halten müssen, die mit einer Zweidrittelmehrheit getroffenen werden müssen. Zu den Erfüllungsgehilfen gehören weiterhin bei den Sportwetten das Regierungspräsidium Darmstadt in Hessen und beim Online-Glücksspiel bis zum 1. Januar 2023 noch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt.

Christian Grascha wollte nun in mehreren Fragen genaue Auskünfte über die Arbeit dieses ominösen Glücksspielkollegiums erhalten und welche Position hierbei Niedersachsen einnimmt. So dreht sich eine Frage beispielsweise darum, wie häufig der Vertreter von Niedersachsen den Empfehlungen über die Erteilung oder Verweigerung einer Erlaubnis bei der Lizenzvergabe für das Online-Glücksspiel dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt bislang folgte. In einer anderen Frage wiederum wollte der FDP-Landtagsabgeordnete wissen, ob es innerhalb des Glücksspielkollegiums Meinungsverschiedenheiten gäbe, beispielsweise bei der Interpretation des neuen Glücksspielstaatsvertrags.

Diese Fragen sind von entscheidender Bedeutung, könnten die Antworten hierauf doch endlich einmal aufdecken, warum der Vergabeprozess der Konzessionen beim virtuellen Glücksspiel und beim Internetpoker so unfassbar schleppend vorangeht. Zuletzt hatte erst der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Peter Beuth gegenüber „gamesundbusiness“ in Bezug auf die Konzessionierung der Sportwetten von einer weiterhin anhaltenden Blockadehaltung einiger Länder innerhalb des Glücksspielkollegiums gesprochen. Zugleich bezeichnete er dieses Gebaren als destruktiv.

An der Intransparenz hat sich bis heute nichts geändert – Gerichtsurteile werden regelmäßig ignoriert

Mit den Fragen an das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport legt Christian Grascha den Finger tief in die Wunde, denn die Antworten sind erneut Belege für die unfassbare Intransparenz des Glücksspielkollegiums. Mehrfach wird in der Beantwortung der weiter oben angesprochenen Fragen auf die Einleitung verwiesen. In dieser steht klar und deutlich, dass die Sitzungen des Glücksspielkollegiums nicht öffentlich sind. „Auskünfte über das Stimmverhalten einzelner Länder oder andere interne Themen des Glücksspielkollegiums sind daher an dieser Stelle nicht möglich“, heißt es weiter. Zusätzlich wird zudem noch zugegeben, dass hierzu auch keinerlei Statistiken geführt werden. Zusammengefasst lässt sich somit feststellen, dass für keinen Anbieter überhaupt nachvollziehbar ist, nach welchen Gesichtspunkten das Glücksspielkollegium und seine Mitglieder den neuen Glücksspielstaatsvertrag auslegen und auf welcher Grundlage Erlaubnisse bei der Lizenzvergabe ins Sachen Online-Glücksspiel erteilt oder abgelehnt werden.

Dass dieser Mangel an Transparenz zu einem Stopp oder gar einem Abbruch von Konzessionsverfahren in Deutschland führen kann, hat die Vergangenheit bereits mehrfach gezeigt. So stoppte im September 2014 das Verwaltungsgericht Wiesbaden damals die Sportwettenkonzessionierung, was schließlich zu einem Ende der Vergabe im Oktober 2015 führte. Neben der Begrenzung auf 20 Lizenzen bemängelte damals der Hessische Verwaltungsgerichtshof als nächstfolgende Instanz unter anderem die Intransparenz des Verfahrens sowie die nicht verfassungskonforme Rolle des Glücksspielkollegiums. Anfang April 2020 wurde erneut der nächste Versuch einer Lizenzvergabe im Bereich Sportwetten gestoppt. Dieses Mal ausgelöst durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt, dem eine Klage des österreichischen Buchmachers Vierklee zugrunde lag. Auch hier wurden Intransparenz und das Glücksspielkollegium als gravierende Probleme benannt. Dass es letztendlich doch zu der Vergabe der ersten Konzessionen dann im Oktober des gleichen Jahres kam, war dem Rückzug der Klage von Vierklee zu verdanken.

Der bisherige Stand bei der Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel in Deutschland (Stand 22.07.2022)!

  • Virtuelles Automatenspiel: 3 Lizenzen erteilt
  • Online Casino Spiele: 0 Lizenzen erteilt
  • Poker im Internet: 0 Lizenzen erteilt

Erst vor Kurzem fuhr erneut mit dem Verwaltungsgericht Darmstadt eine Justizbehörde dem Glücksspielkollegium in die Parade. Dieses hatte das Regierungspräsidium Darmstadt angewiesen, die Anbieter von Sportwetten mit gültiger Lizenz in Deutschland zu verpflichten, nur noch die Sportwetten anzubieten, die vom Glücksspielkollegium bereits in einer Liste als legale Glücksspiele geführt werden. Mit einem Hängebeschluss verhinderte das VG Darmstadt einen sofortigen Vollzug und bemängelte die plötzliche Eile, obwohl zuvor anderthalb Jahre die Anträge auf Erlaubnis der Wetten nicht bearbeitet wurden. Auch hier spielte das Glücksspielkollegium genau wie bei der Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel eine äußerst unrühmliche Rolle.

Glücksspielkollegium ist nicht verfassungskonform

In Zukunft könnte die ganze Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel scheitern, wie dies zuvor bereits mehrfach bei den Sportwetten in Deutschland der Fall war. Weder hat sich an der mangelnden Transparenz des Verfahrens noch an der mangelnden demokratischen Legitimation des Glücksspielkollegiums etwas grundlegend geändert. Beide zuvor behandelten Gerichtsurteile in Bezug auf Sportwetten hatten dem Glücksspielkollegium bescheinigt, nicht verfassungskonform zu sein und dies logisch begründet. Hierzu beispielsweise die Beurteilung durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof aus dem Urteil vom 16. Oktober 2015 mit dem Aktenzeichen 8 B 1028/15:

Einleitung Punkt 1: „Die im Glücksspielstaatsvertrag erfolgte Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an ein aus 16 Vertretern der Länder bestehendes Glücksspielkollegium ist mit dem Bundesstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes nicht vereinbar.“

Auch 2020 kam das Verwaltungsgericht Darmstadt zum gleichen Ergebnis, als es das Konzessionsverfahren bei den Sportwetten wegen Intransparenz stoppte. Hierzu führte das Gericht im Urteil vom 1. April 2020 mit dem Aktenzeichen 3 L 446/20.DA aus:

Einleitung Punkt 8: „Die Mitwirkung des – ohnehin verfassungswidrigen – Glücksspielkollegiums an der Konzessionserteilung nach §9a Abs.5 bis 8 GlStV und die Bindungswirkung von dessen Beschlüssen, deren Zustandekommen nicht nachvollziehbar ist, machen das Vergabeverfahren intransparent.“

Begründet wird dies beispielsweise durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil ausführlich ab Punkt Gründe II., (1). Hierin wird erläutert, dass mit dem Glücksspielkollegium eine Ebene zwischen Bund und Ländern geschaffen wird, die laut dem Grundgesetz nicht vorgesehen ist. Zudem können die 16 Länder die Oberhoheit wie für ein Lizenzvergabeverfahren nur an ein Bundesland übertragen, wenn dieses gleichzeitig als Entscheidungsträger fungiert. Dies trifft jedoch weder für das Regierungspräsidium Darmstadt bei den Sportwetten noch auf die Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel durch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt zu. Beide sind nämlich an die Beschlüsse des Glücksspielkollegiums zwingend gebunden. Dass die Bundesländer über ihre Vertreter ja Einfluss in diesem Gremium auf die Entscheidung haben, lässt das Gericht ebenfalls nicht gelten, da über eine Zweidrittelmehrheit Länder überstimmt werden können. Damit liegt die Entscheidungsgewalt bei einer Instanz, die weder dem Bund noch den der Länderebene zuzuordnen ist.

Das Glücksspielkollegium ist laut mehreren Gerichten nicht demokratisch legitimiert

Obwohl bereits mehrfach gerichtlich festgestellt wurde, dass das Glücksspielkollegium weder verfassungskonform noch demokratisch legitimiert ist, ist es bis heute alleiniger Entscheidungsträger bei den Glücksspielkonzessionen für Sportwetten und Online-Glücksspiel. Diese Ignoranz hat jedoch traurige Tradition, wenn es um das Glücksspiel in Deutschland und die Bewahrung der Pfründe der staatlichen Lottogesellschaften geht. So steht beispielsweise im Vorwort der Antwort durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport auf die Kleine Anfrage von Christian Grascha ein Satz, der die Missachtung all dieser Gerichtsentscheidungen auf den Punkt bringt:

„Das Glücksspielkollegium dient der Sicherstellung der Mitwirkung der Länder an den Entscheidungen der in der Übergangszeit zuständigen Landesbehörden. Es vermittelt den Entscheidungen der zuständigen Behörde daher die erforderlich demokratische Legitimierung der anderen Länder.“

Es grenzt schon fast an einer Frechheit, von einer demokratischen Legitimität des Glücksspielkollegiums zu sprechen, wenn zuvor bereits mehrfach durch deutsche Gericht in wichtigen Verfahren zum Glücksspielrecht das Gegenteil festgestellt wurde.

Auch die schleppende Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel könnte zum Problem werden

Hier finden Sie die Gerichtsurteile im Überblick!

Gerichtsurteile 400

Nicht nur in Sachen Intransparenz förderte die Kleine Anfrage von Christian Grascha einige interessante Antworten zutage, sondern ebenso bei der Frage, warum die gesamte Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel so quälend langsam verläuft. Hierauf liefert das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport gleich eine ganze Palette an Gründen, in denen natürlich auch das Glücksspielkollegium nicht fehlen darf. Dieses tagt nämlich in einem Rhythmus von gerade einmal sechs Wochen. Zwar wird im Antwortschreiben an den FDP-Politiker behauptet, dass aufgrund der vielen zu treffenden Entscheidungen zahlreiche zusätzliche Sitzungen abgehalten wurden, nur lässt sich das ja leider wegen der Geheimhaltung nicht nachprüfen. Des Weiteren lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, das es wohl öfters wegen unterschiedlichen Meinungen über die Erteilung oder Verweigerung einer Erlaubnis bei der Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel zu Verzögerungen kam. Suche nach Kompromissen, erneute Prüfungen und Rückzug von Beschlussvorlagen sind hier als Gründe exemplarisch aufgeführt.

Besonders interessant in diesem Zusammenhang sind noch weitere Gründe für das Schneckentempo bei der Lizenzvergabe im Bereich Online-Glücksspiel. So gab es laut der Antwort an den Landtagsabgeordneten Christian Grascha am 1. Juli 2021 mit dem Referatsleiter nur einen einzigen Mitarbeiter mit Kenntnissen im Glücksspielrecht in der gesamten neu geschaffenen Abteilung des Landesamtes Sachsen-Anhalt. Da bereits schon lange vorher klar war, dass der neue Glücksspielstaatsvertrag an diesem Stichtag in Kraft treten wird, ist diese Form der Personalgestaltung nur als absurder Schildbürgerstreich zu bewerten. Auch die Auswirkungen der Pandemie wurden genauso wie die Zusammenarbeit mit dem Glücksspielkollegium als weitere Gründe für die langsame Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel benannt.

Auch wenn solche Zuständen wie Schilderungen aus einem Roman von Franz Kafka klingen, so handelt es sich doch um die bittere Realität in Deutschland und sie können ebenfalls zum Scheitern der Lizenzvergabe beim Online-Glücksspiel führen. Je länger Bewerber auf ihre Erlaubnis warten müssen, umso stärker wird der Wettbewerbsvorteil der Glücksspielunternehmen, die bereits eine Konzession erhalten haben. Vor allem, wenn die Anträge auf die Erteilung einer solchen Konzession zum gleichen Zeitpunkt gestellt wurden, nämlich Anfang Juli 2021 zum Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags. Sollte der ganze Prozess sich noch weiter in die Länge ziehen, könnte es sich um eine Diskriminierung einiger Bewerber handeln. Hierzu urteilte bereits das Verwaltungsgericht Darmstadt beim Stopp der Vergabe der Sportwettenkonzessionen in 2020: „Ein diskriminierungsfreies Vergabeverfahren im Sinne von § 4b Abs. 1 GlStV setzt grundsätzlich einen einheitlichen und klaren Bewerbungsstart für alle, eine sachgerechte Frist zur Vorlage der vollständigen Bewerbung und eine gleichzeitige Konzessionserteilung jedenfalls an die Bewerber voraus, die sich fristgerecht nach Aufruf und Bekanntmachung gemeldet haben.“

Bis die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder sämtliche Aufgaben des Glücksspielkollegiums wie geplant am 1. Januar 2023 übernimmt, steht das ganze Lizenzverfahren beim Online-Glücksspiel in Deutschland rechtlich auf äußerst tönernen Füßen. Womöglich ist aber auch genau diese rechtliche Problematik beabsichtigt, um die Neuregulierung des Glücksspiels in der Bundesrepublik erneut zu torpedieren. Ein Blick in die letzten 15 Jahre zu diesem Thema lässt diese Theorie nicht gerade unwahrscheinlich erscheinen. Immerhin hätten dann die Lottogesellschaften für einige weitere Jahre ihr Glücksspielmonopol sicher, bevor erneut ein Anlauf zur Legalisierung von Online Casinos vonseiten der Politik zu erwarten wäre.

Hier finden Sie die komplette Kleine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Christian Grascha!

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