Bislang konnte keine Novomatic-Affäre dem österreichischen Hersteller der bekannten Novoline Spielautomaten wirklich etwas anhaben. Fast immer verliefen Ermittlungen über womögliche Bestechung, illegale Parteienspenden oder Korruption im Sande. Dieses Mal jedoch scheint sich in der neusten Novomatic-Affäre rund um die Bestellung von Peter Sidlo in den Vorstand der CASAG die Schlinge so langsam zuzuziehen. Wie jetzt bekannt wurde, belasten zahlreiche Chatprotokolle, die auf diversen Smartphones bei den ersten Razzien bei Strache und weiteren FPÖ-Politikern sowie bei Harald Neumann und Johann F. Graf sichergestellt wurden, die Beschuldigten immer stärker. Die beschlagnahmte Kommunikation zwischen FPÖ, ÖVP sowie dem Novoline Spielautomatenhersteller war zudem ebenfalls der Auslöser der kürzlich durchgeführten Razzien gegen die beiden ehemaligen Finanzminister Löger und Pröll von der ÖVP. Immer stärker zeichnet sich ein Bild, dass es tatsächlich geheime Absprachen zwischen Novomatic und österreichischen Politikern gegeben haben könnte.
Weitere Bausteine fügen sich in der Novomatic-Affäre ins Puzzle
Die beschlagnahmten Smartphones aus den ersten Razzien gegen mehrere FPÖ-Politiker sowie gegen den CEO und den Gründer von Novomatic scheinen sich für die Ermittler zu einer richtigen Goldgrube zu entwickeln. Vor allem die gespeicherte Kommunikation in Chatprotokollen ermöglicht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sich ein genaueres Bild über die tatsächlich stattgefundenen Ereignisse in Zusammenhang mit der Novomatic-Affäre zu machen. Was die Ermittler hierbei auf den Handys von Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus sowie Harald Neumann und Johann F. Graf fanden, erhärtet den Verdacht, dass es tatsächlich diesen schmutzigen Deal gegeben hat. Schon in der erstes anonymen Anzeige wurde behauptet, dass die FPÖ dem Novoline Spielautomatenhersteller für die Hilfe bei der Bestellung von Peter Sidlo in den Vorstand der CASAG eine Gegenleistung versprochen hat. Dies sollte eine Online Casino Lizenz in Österreich sowie die Aufhebung des Verbots des „Kleinen Glücksspiels“ in Wien gewesen sein. Bislang bestritten allerdings alle beschuldigten Politiker sowie Manager von Novomatic, dass es jemals so eine Übereinkunft gegeben hätte.
Die Chatprotokolle aus den sichergestellten Handys aus den ersten Razzien lassen jedoch etwas anderes vermuten, so zumindest hält es die WKStA. Für diese waren die neuen Erkenntnisse so gravierend, dass neue Hausdurchsuchungen gegen Hartwig Löger und Josef Pröll von der ÖVP folgten. Besonders interessant an den bislang an die Öffentlichkeit durchgesickerten Aussagen der Beschuldigten ist der Zeitraum vor und während der größten Glücksspielmesse, der ICE London, denn hier soll alles seinen Anfang genommen haben. Bislang stand hier im Raum, dass sich am Rande der Messe der Eigentümer von Novomatic, Johann F. Graf, mit dem damaligen Finanzstaatssekretär der FPÖ Hubertus Fuchs getroffen haben soll. Dies wurde mittlerweile bestätigt. Während jedoch die erste anonymen Anzeige behauptete, dass hier der Deal, Peter Sidlo in den Vorstand der CASAG gegen eine Online Casinos Lizenz, festgemacht wurde, bestritten dies sowohl Graf wie auch Fuchs. Nun allerdings dürften sämtliche Beteiligten in Erklärungsnot geraten. Denn laut mehreren österreichischen Medien wand sich Harald Neumann, der CEO von Novomatic, bereits im November 2017, als noch die Regierungsbildung zwischen FPÖ und ÖVP ablief, direkt an seinen Pressesprecher Bernhard Krumpel. Dieser sollte sich an den FPÖ-Politiker Markus Tschank in Bezug auf „Casinolizenzen“ wenden. Dieser teilte ihm jedoch mit, dass Tschank hierfür der falsche Ansprechpartner wäre, woraufhin Neumann erwiderte, dass er unbedingt jemand bräuchte, der das Thema einbringen könnte.
Die drei Herren Markus Tschank und Peter Sidlo, beide FPÖ sowie der Pressesprecher von Novomatic, Bernhard Krumpel, besitzen eine gemeinsame Vergangenheit. All drei waren bis 2016 an der Firma Polimedien GmbH beteiligt und kennen sich deshalb sehr gut.
Das ominöse Treffen in London zwischen Novomatic und der FPÖ
In der Novomatic-Affäre belegen die durchgesickerten Chatprotokolle bereits im November 2017 ein Interesse vonseiten Harald Neumanns am Thema Casinolizenzen, schon lange vor dem ominösen Treffen in London. Im Januar 2019 wiederum existiert eine Kommunikation zwischen dem ehemaligen Vizekanzler der FPÖ Heinz-Christian Strache sowie dem Chef des Herstellers der Novoline Spielautomaten. Hierin fragt Strache sinngemäß, ob beim Thema Peter Sidlo alles nach Plan verläuft, woraufhin Neumann antwortet, dass sie alles Mögliche hierfür beigetragen hätten. Außerdem hätten ihm die damals noch designierte Vorstandsdirektorin der CASAG, Bettina Glatz-Kremsner sowie der designierte Chef der ÖBAG, Thomas Schmid, Unterstützung signalisiert. Barbara Kolm, amtierende Vizepräsidentin des Generalrats der Österreichischen Nationalbank und ehemalige FPÖ-Politikerin, wollte zudem noch einmal ein Gespräch mit dem Personalberater führen, der Sidlo für nicht ausreichend qualifiziert hielt. Für die WKStA ist hier klar, dass es sich nur um die Bestellung des FPÖ-Politikers in den Vorstand der CASAG drehen kann, der überraschend als einziger Kandidat von Novomatic vorgeschlagen wurde. Kurz vor dem ominösen Treffen in London im Februar 2019 am Rande der ICE London soll es zudem noch ein Gespräch mit dem damaligen Finanzminister Hartwig Löger zu der Sache gegeben haben. Hier hielt Neumann im Chat mit Strache fest, dass das Gespräch zwar mühsam gewesen sei, aber Löger beim Thema ebenso sehr geholfen hätte.
Diese sichergestellten Chatprotokolle in Zusammenhang mit der Novomatic-Affäre sind brisant, denn sie fügen dem Puzzle weitere kleine Facetten bei. So berichtete der „Standard“ weiter, dass ebenfalls über Chats Walter Rothensteiner, Aufsichtsratspräsident der CASAG, Jodef Pröll, Vizepräsident des Aufsichtsrats der CASAG sowie Harald Neumann, der CEO von Novomatic, gemeinsame Strategien ausheckten. Ziel war es, die Sazka Gruppe zu befrieden, die mit der Berufung von Peter Sidlo alles andere als glücklich war. Später enthielt sie sich bei dessen Wahl der Stimme. Vor dem Hintergrund der bereits zuvor durchgesickerten Informationen über eine brisante Aktennotiz von Rothensteiner, runden die neusten Erkenntnisse ein bestimmtes Bild bei der WKStA ab. Es wurde politischer Druck auf den Aufsichtsratspräsidenten der CASAG ausgeübt, um Peter Sidlo trotz mangelnder Qualifizierung auf den Posten im Vorstand zu bringen. Dies musste durchgedrückt werden, da die Personalie Bestandteil eines Deals zwischen der FPÖ und Novomatic war. Sowohl die nun bekannt gewordenen Chatprotokolle wie auch die zuvor sichergestellte Aktennotiz stützen diese These.
Der ORF gab zur Novomatic-Affäre ebenfalls noch neue Details bekannt. Diese drehen sich um den gleichen Zeitraum kurz vor dem ominösen Treffen in London Anfang Februar in London im Jahr 2019 zwischen Johann. F. Graf und Hubertus Fuchs. Der heutige Chef der ÖBAG Thomas Schmidt, der zum damaligen Zeitpunkt noch Generalsekretär im Finanzministerium war, soll Harald Neumann eine Ablichtung über die Voraussetzungen für den Erhalt einer Online Casino Lizenz in Österreich übermittelt haben. Zusätzlich wurde diese mit dem Vermerk versehen, dass ein Gesetz für eine Entflechtung notwendig wäre. Nur wenige Stunden später am 31. Januar wiederum folgte dann das Treffen zwischen Finanzminister Löger sowie Johann F. Graf und Harald Neumann von Novomatic. Zeitlich geschah all dies kurz vor dem ominösen Treffen in London, welches nur wenige Tage später stattfand.
Die Schlinge um Peter Sidlo zieht sich in der Novomatic-Affäre ebenfalls zu
Nicht nur bei den Beschuldigten vonseiten des Spielautomatenherstellers und der FPÖ zieht sich die Schlinge so langsam immer fester zu, auch für Peter Sidlo selbst wird es immer enger. Hier spielen ebenfalls an die Medien durchgesickerte Chatprotokolle die Hauptrolle, die der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vorliegen. Hierin soll FPÖ-Politiker Peter Sidlo seinem Parteikollegen Johann Gudenus, bekannt aus dem Ibiza-Video, ein paar brisante Zeilen geschrieben haben. Darin ist die Rede, dass Sidlo bereits mit Freunden bei den Casinos gesprochen haben soll und diese bereit und fähig wären den Deal abzuschließen. Auch hier ist sich die WKStA sicher, dass es sich um den schmutzigen Deal in der Novomatic-Affäre mit der FPÖ dreht. Sidlo selbst sowie Gudenus hingegen bestreiten dies und behaupten, dass es hierbei um einen ganz anderen Sachverhalt gegangen wäre. Angeblich war ein Investmentdeal der Grund für diese Zeilen. Sollte sich jedoch der Verdacht der WKStA erhärten, dann wäre erstmals Peter Sidlo selbst belastet, von dem Postengeschachere nicht nur gewusst, sondern zugleich ebenso involviert gewesen zu sein.
In Zusammenhang mit der Novomatic-Affäre lohnt sich hier noch ein Blick zurück in die Beurteilung durch den Personalberater, der Sidlo für nicht ausreichend qualifiziert für den Posten im Vorstand der CASAG hielt. Wie jetzt nämlich ebenfalls aufgedeckt wurde, soll die Beurteilung noch deutlich negativer ausgefallen sein, als bislang bekannt war. Zusätzlich sind weitere Details aus der ersten Vernehmung von Walter Rothensteiner der Presse zugespielt worden. Hierin wurde der Aufsichtsratspräsident der CASAG befragt, warum überhaupt ein externer Personalberater im Fall Sidlo hinzugezogen wurde? Die sinngemäße Antwort von Rothensteiner lautete damals, dass dies nur dazu diente, dass am Ende niemand behaupten könne, dass ein unfähiger Manager auf den Posten bestellt würde. Zusätzlich sagte Rothensteiner aus, dass dieser Schritt bei der Personalie mit der Beurteilung durch den externen Personalberater ebenso hätte ausbleiben können. Zu guter Letzt wurde noch bekannt, dass der Personalberater explizit die Aufgabe hatte, keine Rangfolge nach Eignung bei den Kandidaten vorzunehmen, da ohnehin klar war, dass Sidlo so oder so den Job erhalten würde. Auch hier wies Rothensteiner in der Vernehmung darauf hin, dass der gesamte Überprüfungsablauf nur als reine Fassade ablief, um der Bestellung von Peter Sidlo in den CASAG-Vorstand einen schicken Anstrich zu verpassen.
Zuerst hatte die Sazka Gruppe zähneknirschend der Berufung von Peter Sidlo mit einer Stimmenthaltung im Aufsichtsrat den Weg freigemacht. Nun allerdings schüttet der tschechische Glücksspielkonzern und größte Anteilseigner der CASAG neues Öl ins Feuer. Ein in Auftrag gegebenes Gutachten bei Professor Thomas Müller von der Universität Innsbruck in der Abteilung für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre fordert die sofortige Abberufung Sidlos aus dem Vorstand der CASAG. Müller sieht in der Personalie einen Verstoß gegen das eigene Glücksspielgesetz, auch unabhängig von momentanen Ermittlungen. Denn Sidlo fehle es an den zwingend, gesetzlich vorgeschriebenen Fähigkeiten und Erfahrungen im Bereich Glücksspiel. Deshalb fordert Müller in seinem Gutachten einen sofortigen Bescheid aus dem Finanzministerium mit einer Untersagung für Sidlo in der Geschäftsführung der Casinos Austria AG tätig zu sein.
NEOS fordern in der Novomatic-Affäre einen Untersuchungsausschuss
Die ständigen, neuen Enthüllungen in Zusammenhang mit der Novmatic-Affäre, der CASAG und der FPÖ sowie ÖVP, scheinen bei der Opposition so langsam zum Zerreißen des Geduldsfadens zu führen. Kurz nach dem Bekanntwerden der neusten Razzien gegen die beiden ehemaligen Finanzminister der ÖVP, Hartwig Löger und Josef Pröll, forderten die NEOS einen Untersuchungsausschuss. Dieser kann jedoch nur durch die Stimmen der SPÖ ins Leben gerufen werden, die sich bislang jedoch zu diesem Thema noch bedeckt hält. Die NEOS wollen mit einem Untersuchungsausschuss Licht in zahlreiche Themenkomplexe rund um die Novomatic-Affäre bringen. Für die Partei ist es schwer nachzuvollziehen, dass die ÖVP angeblich keinerlei Kenntnisse über die Machenschaften von Novomatic und FPÖ gehabt hätte. Den nun verkündeten Rücktritt aus der Politik von Hartwig Löger im Zuge der Razzien halten die NEOS für ein Bauernopfer. Löger war eigentlich als neuer Finanzminister in der geplanten Regierung aus ÖVP und den Grünen gehandelt worden. Abseits dessen würde die Partei ebenfalls gern neue Informationen über die Rolle von Thomas Schmid, dem amtierenden Chef der ÖBAG, in dieser Causa erhalten. Schmid war zum damaligen Zeitpunkt noch Generalsekretär im Finanzministerium.
Während die NEOS sich für einen Untersuchungsausschuss stark machen, möchte die SPÖ zuvor jedoch erst einmal eine Sondersitzung des Parlaments durchdrücken. Hierfür hofft die Partei auf die Unterstützung sowohl von den NEOS wie auch von den Grünen, dem wahrscheinlich neuen Koalitionspartner der ÖVP. Sollte dieser Plan gelingen, könnte der Nationalrat schon in einer bis zwei Wochen die Sondersitzung abhalten und versuchen, neue Informationen in Zusammenhang mit der Novomatic-Affäre zu erlangen. Je nachdem wie diese dann ausfallen wird, kann sich die SPÖ durchaus einen Untersuchungsausschuss vorstellen, der dann mit den NEOS zusammen im Parlament beantragt werden könnte. Für die sonst so strikten Gegner des Glücksspiels hingegen, die Grünen, spielt die Novomatic-Affäre kaum eine Rolle bei den Koalitionsverhandlungen, obwohl hier gerade die Partei großes Interesse an einer Aufklärung besitzen sollte. Deshalb wäre auch in diesem Sinne die Beantragung eines Untersuchungsausschusses sinnvoll, damit die Grünen Farbe bekennen müssen, ob ihnen die Aufklärung oder die Regierungsbeteiligung wichtiger sind.
Zu guter Letzt äußerte sich noch Margit Kraker, die Präsidentin des Rechnungshofs, zur der Novomatic-Affäre und bedauerte es, dass dieser keine Kontrolle bei der CASAG durchführen kann. Dies wäre nur dann möglich, wenn der Staat Österreich mehr als 50 Prozent an der Casinos Austria AG halten würde. Trotz dessen versprach sie, dass der Rechnungshof alles Erdenkliche unternehmen würde und ebenfalls eine generelle Prüfung bei der Entsendung von Politikern in Aufsichtsräte staatsnaher Firmen zur Entscheidung steht. Zusätzlich sprach sie sich dafür aus, in Zukunft die Anforderungen für Prüfungen durch den Rechnungshof schon bei Unternehmen zu vollziehen, die eine Staatsbeteiligung von nur 25 Prozent besitzen.
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