Laut dem Glücksspielatlas Deutschland 2023 sollen rund 1.3 Millionen Menschen an einer Glücksspielstörung leiden. Etwa 30 % der Bevölkerung nehmen am Glücksspiel teil. Das besagen die Zahlen aus dem Jahr 2021, die jedoch im aktuellen Glücksspielatlas Deutschland 2023 stehen. Mit diesen Zahlen und Fakten hat es die Statistik in die Auswahl „Unstatistik des Monats Oktober“ des Institut für Wirtschaftsforschung geschafft.
Der Glücksspielatlas bezieht seine Daten aus einer Studie der Universität Bremen. Diese besagt, dass 12.000 Menschen an einer Umfrage zum Thema Glücksspiel teilgenommen haben. Die Befragung ergab, dass vier von zehn Automatenspieler eine Glücksspielstörung aufweisen. Demnach haben 2,3 % der Bevölkerung eine Störung. Auf den ersten Blick sind diese Zahlen alarmierend. Doch wie realistisch sind diese Fakten wirklich?
Glücksspielatlas Deutschland 2023: Methodische Änderungen und deren Folgen
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat sich die Ergebnisse der Glücksspielstudie genauer angesehen und gibt zu bedenken, dass es methodische Änderungen gab. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf die Studienergebnisse. Es gab jedoch während der Erhebung der Daten nicht nur Änderungen in der Methodik, sondern auch eine recht hohe Nonresponse-Raten (das Nicht-Beantworten von Befragungen). Diese Schwachstellen gehen jedoch in den öffentlichen Diskussionen, die unter anderem auch in bekannten Medien geführt wurden, unter.
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung gibt in seiner „Unstatistik „an, dass bis 2019 die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für die Umfrage verantwortlich war. Diese fanden ausschließlich telefonisch statt. Seit dem Wechsel des ausführenden Instituts hat sich die Methodik geändert. Die Universität Bremen, welche die Erhebung aktuell durchführt, kontaktiert die Teilnehmenden nicht nur telefonisch, sondern es gibt die Möglichkeit online an der Umfrage teilzunehmen.
Die dort erfassten Daten werden im Glücksspiel-Survey gesammelt. Unter der telefonischen Befragung erfasste die Uni Bremen 0,4 % mit einer leichten, mittleren oder schweren Glücksspielstörung. Die Online-Umfrage hingegen erfasste 6,2 %. Erfasst wird im Glücksspiel-Survey nicht nur das Glücksspielverhalten, sondern auch der Alkoholkonsum oder psychische Belastungen der Befragten. Auch dort sind die Abweichungen der Ergebnisse zwischen den zwei Erhebungsverfahren groß.
Hinter der Unstatistik des Monats stecken der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer. Sie hinterfragen die neusten Veröffentlichungen. (Bildquelle: https://www.rwi-essen.de/)
Hohe Ausfallraten erhöhen das Risiko auf falsche Daten
Erschwerend kommt hinzu, dass eine hohe Ausfallrate bei den Befragungen entstand. Auch darüber wird in den öffentlichen Diskussionen nicht gesprochen. Bei den aktuellen Befragungen haben rund 80 % der Teilnehmenden nicht geantwortet. Solche Nonresponse-Raten stellen ein Risiko für die Aussagekraft der Analyse dar. Wirtschaftliche Veröffentlichungen achten daher darauf, Nonresponse zu kontrollieren und die mögliche Verzerrung der Ergebnisse zu bewerten. Bei der Glücksspiel-Umfrage 2023 bleibt dieser Faktor jedoch aus. Trotz dieser zahlreichen fragwürdigen Methoden und Fakten hat es die Umfrage in die renommierte Zeitschrift „The Lancet Public Health“ geschafft und wurde methodisch als „besonders gut“ bewertet.
Ist es nun gerecht, dass der Glücksspielatlas Deutschland 2023 in die Unstatistik des Monat Oktober aufgenommen wurde? Die Studien-Ergebnisse werden in vielen Medien unkritisch und ohne ausreichende Hinterfragen zur Methodik diskutiert. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass die Ergebnisse in der Unstatistik aufgenommen wurden.
Christina Rummel, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS), Hamm: „Diskussionen zum Thema Glücksspiel leiden oftmals daran, dass Informationen nur ausschnitthaft, veraltet oder auch interessengeleitet herangezogen werden. Der Glücksspielatlas Deutschland 2023 eignet sich hervorragend als sachgerechte und fundierte Informationsquelle sowohl für die Fachwelt und die Politik als auch für eine interessierte Öffentlichkeit.“
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